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postheadericon Zweiter Tag in Tschita

Heute wache ich schon vor neun auf. Das Frühstücks Büfett ist wieder reichhaltig. Beim Einchecken mitten in der Nacht habe ich eine Bestätigung erhalten, vom 22.-24.08. im Hotel bleiben zu dürfen habe aber nur Frühstücksmarken für den 22. und 23. bekommen. Das passt ja gut, denn mein Zug fährt wieder mitten in der Nacht um kurz nach 24:00 weiter nach Khabarovsk. Uns so spare ich mir eine dritte Hotelübernachtung, die ich so gar nicht ausnutzen könnte.

Mit der Kamera und dem Reiseführer mache ich mich nun in die Stadtteile, die ich bisher noch nicht gesehen habe. Immer wieder entdeckt man schon nach ein paar Metern eine Kirche mit goldener Kuppel. Diese hier war mal eine christliche Kirche, die aber zu einer orthodoxen umgebaut wurde. Ganz in der Nähe sehe ich dann auch ein Panzerdenkmal, was an den “vaterländischen Krieg”, wie der 2. Weltkrieg hier genannt wird, erinnert.

Es ist schon ziemlich schwül und ich gehe einfach in ein kleines Café. Es ist von einem chinesischen Betreiber und an der Theke steht ein Polizist, der hier gerade seine Mittagspause verbringt. Die Unterhaltung gestaltet sich zwar schwierig, aber jeder kann in irgendeiner Sprache etwas dazu beitragen und so haben wir alle unseren Spaß zusammen. Ich erkläre anhand der Karte im Reiseführer meine Route und alle sind sehr beeindruckt.

Mein Weg führt weiter zum Opernhaus der Stadt. Davor ist ein lieblich gestalteter Platz mit einem sehr schönen Brunnen, eine Granitkugel, die sich im quellenden Wasser dreht. Schon kurz danach komme ich auf die Haupteinkaufsstraße. Rechts und links sind moderne Geschäfte, die Mode in westlichem Stil verkaufen. Dazwischen Läden für Handy- und Computertechnik. Das sind die Güter, die im Moment hier gefragt sind.

Weiterhin sieht man im Stadtbild sehr oft alte Holzhäuser mit ihren malerischen Fensterläden. Immer wieder sieht man, dass diese auch sehr gut restauriert sind, andere hingegen verfallen zusehends.

Kurz danach sehe ich die Bar Dresden. Wohl ein altes Relikt aus den Freundschaftszeiten mit der DDR. Zurück über den Leninplatz erreiche ich mein Hotel wieder und beschließe den Rest des Nachmittags noch etwas für die nun anstehende längste Etappe meiner Reise auszuruhen. Ich fahre dann heute Abend fast 42 Stunden mit dem Zug Nr. 2 “Rossija” nach Khabarovsk.

Gegen 23:00 checke ich aus dem Hotel aus. Es gibt etwas Verwirrung mit meinen Registrierungspapieren. Aber ich habe eh den Eindruck, dass dies die Grenzbeamte eh nicht mehr so genau interessiert. Aber man wird überall darauf hingewiesen, dass eine ordentliche Registrierung bei den Behörden unabdingbar ist.

Ich laufe den kurzen Weg zum Bahnhof. Draußen ist es jetzt 16 Grad und ich schätze die Kühle, denn das Gewicht des Rucksacks liegt schwer auf meinen Schultern. Ziemlich geschwitzt erreiche ich das Bahnhofsgebäude und ruhe mich erst mal im Wartesaal aus. Hier gibt es keine Anzeigen, die ich aus den anderen Bahnhöfen gewohnt war. Alles funktioniert nur mit russischen Durchsagen, von denen ich maximal die Zielorte verstehe. Mein Zug wird von nicht angesagt. Plötzlich höre ich die Orte meine Zuges und dann irgendetwas gefolgt von dem Wort “minutes”. Ich denke das es sich wohl um eine Verspätung handelt wird und ich sollte Recht behalten. Ich versuche das Wort vor “minutes” noch über das Lexikon zu identifizieren und zu meinem Erstaunen lese ich “vierzig”.

Hoffentlich habe ich mich verhört. Ich packe also meinen Rucksack und gehe raus auf den Bahnsteig. Um einen besseren Überblick über die Lage zu haben, gehen ich hoch oben auf die Fußgängerbrücke, die die beiden durch die Gleise zerschnittenen Stadtteile miteinander verbindet. Gleichzeit gehen von hier jeweils Treppen hinunter zu den Bahnsteigen. Ich sehe aber immer nur Güterzüge herannahen. Sie sind riesig lang und fahren fast alle von Ost nach West. Nach fast einer halben Stunde kommt der erste Passagierzug. Der kommt aber aus der falschen Richtung. Am Stand der Sonne am Nachmittag hatte ich mir die Himmelsrichtungen gemerkt. Es wird langsam bitterkalt, die Anzeige auf der großen Bahnhofsuhr zeigt 13 Grad. Ich ziehe provisorisch meine Jacke über und warte und warte. Nach wirklich 40 Minuten fährt mein Zug in den Bahnhof ein. Er ist schon von weitem an der markanten Farbe zu erkennen.

Vor der Wagontüre ist wieder ein ziemliches Gewusel. Tausend Taschen müssen verladen werden. Als ich dann endlich in den Wagen einsteigen kann, kommen immer noch aussteigende Gäste entgegen, die wohl zu spät geweckt worden sind. In dem Engen kann kommen wir kaum aneinander vorbei. Endlich erreiche ich meine Abteil, aber hier sind mindesten 7 Leute drin. Langsam klärt sich die Situation und zurück bleibt eine junge Frau mit ihrem ca. 2-jährigen Kind. Und ich denke schon, das kann ha heiter werden. Die Kleine ist ziemlich bockig und will erst mal nicht die Oma weglassen. Die muss aber jetzt wirklich aussteigen, weil der Zug in Kürze abfahren wird.

Nachdem der Zug sich in Bewegung gesetzt hat, machen wir uns an die Arbeit die Betten herzurichten. Ich habe ja nun schon einige Erfahrung damit und relativ schnell kann ich es mir gemütlich machen. Nur die Kleine will nicht so schnell einschlafen und meckert immer wieder rum. Nach ca. einer Stunde ist sie so erschöpft, dass auch sie endlich einschläft.

 

postheadericon Erster Tag in Tschita

Nach der anstrengenden Zugfahrt schlafe ich erst einmal aus. Fast zu spät erreiche ich den Frühstücksraum, aber da Sonntag ist, habe ich wohl noch etwas Toleranzzeit bekommen. Es gibt wieder viele warme Speisen, aber es ist auch Wurst und Käse für mich dabei. Alles sieht schon fast ein wenig zu westlich aus.

Ich beschließe, weil ich ja wirklich zwei volle Tage hier in Tschita bin, noch etwas zu schlafen bevor ich die Stadt besichtige. Nachdem ich ein paar Bilder bearbeitet habe drängt es mich nun doch nach draußen. Leider ist das Wetter schlechter als ich es erwartet hatte. Leichter Nieselregen verdirbt mir etwas die Lust auf eine größere Stadtbesichtigung. So bleibe ich im Umfeld des Hotels, sehe aber einige sehr schöne Gebäude und Kirchen. Als der Regen gerade stärker wird, flüchte ich in das Bahnhofsgebäude und kann mich gleich mit den Gegebenheiten vertraut machen. Ich bin ja um Mitternacht im Dunkeln angekommen und habe bis jetzt keine Ahnung wie der Bahnhof innen aussieht. Es gibt eine riesige Schalterhalle und dann drei aufeinander folgende Warteräume. Am Ende des Gebäudes ist ein kleines Café. Die Kassiererin versteht meine Handzeichen genau und so komme ich schnell zu meinen bestellten Sachen.

Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen und die Sonne wagt sich jetzt etwas durch die Wolkenschleier. Mein Weg führt mich zurück zum Lenin-Platz mit der beeindruckenden Statue. Der Platz ist sehr gepflegt und überall sind schöne Blumenbeete. Die Leute halten sich wohl sehr gerne hier auf, weil die vor dem Platz verlaufene 8-spurige Straße für den Verkehr gesperrt ist. An einer Ecke des Platzes füttern die Kinder die Tauben der Stadt, die hier ein Festmahl geboten bekommen. Auch Hunde tollen frei in der Anlage rum. Keine Ahnung ob die hier wild leben oder ob Herrchen doch irgendwo in der Nähe ist.

Da es schon 18:00 Uhr ist beschließe ich zurück zum Hotel zu gehen. Das Wasser in der Dusche ist immer noch kalt. Deswegen beschwere ich mich an der Rezeption, was sich wirklich schwierig gestaltet. Die Dame kann kein Wort Englisch und ich kann mit meinen 20 Worten russisch auch nicht erklären, um was es hier geht. Ein Security-Mann eilt zu Hilfe und mit ihm als Dolmetscher wird mein Anliegen schnell klar. Ich soll auf mein Zimmer gehen und innerhalb weniger Sekunden kommt die Etagen-Dame zu mir. Sie geht in die Dusche und lässt (wie ich vorher) das Wasser ein paar Minuten laufen. Auch sie erkennt jetzt, dass sie nichts ausrichten kann und schickt mir 2 Mechaniker ins Zimmer. Die lassen das Wasser aus allen verfügbaren Rohren (Waschbecken, Dusche, Bidet) laufen. Innerhalb weniger Minuten schwimmt das ganze Bad, das Wasser ist aber immer noch eiskalt. Sie palavern die ganze Zeit, aber damit wird das Wasser auch nicht warm. Dann nehmen sie ihr Werkzeug und verschwinden. Da ich eh zum Essen gehen will, komme ich wieder an der Rezeption vorbei. Der Sicherheitsmann beruhigt mich gleich und sagt mir, dass die Mechaniker 20 Minuten für die Reparatur brauchen werden. Ich kann also ins Restaurant gehen und in Ruhe Abendessen.

Der Kellner bringt mir erst einmal die russische Karte. Aber auch hier haben sie wie in fast allen Restaurants eine übersetzte Karte. Wegen der Nähe zu China gibt es die Übersetzung auch auf Chinesisch. Ich bestelle eine kleine Vorspeise aus Champignons und eine Fleischspezialität des Hauses ohne genau zu wissen was kommt. Alles kommt sehr schön garniert und ist sehr schmackhaft. Der Service ist wirklich auf gutem Niveau und so haben sich die Kellner auch ein Trinkgeld verdient.

Zurück in der Eingangshalle des Hotels kommt der Sicherheitsmann auf mich zu und erklärt mir, dass das Wasserproblem nicht gelöst werden kann und ich deshalb in ein anderes Zimmer umziehen werde. Ich finde das eine gute Idee, wenn dort endlich warmes Wasser vorhanden ist. Als ich mein neues Zimmer betrete bin ich noch mehr überrascht, es hat einen separaten Vorraum mit Couch und im Badezimmer ist eine riesige Badewanne. Ein richtiges Luxuszimmer also. Und schon nach einigen Sekunden kommt wirklich warmes Wasser aus dem Hahn.

Nach einer ausgiebigen Dusche zappe ich noch etwas durch die ausschließlich russischen Fernsehprogramme. Es ist wirklich schwer auch nur wenige Worte zu verstehn oder der Handlung des Filmes zu folgen. Also gebe ich schnell auf und mache das Licht aus.

 

postheadericon Auf dem Weg nach Tschita

Früher hätte ich mir kaum vorstellen können, 6 Stunden in einer Bahnhofshalle sitzen zu können. Aber es macht mir nicht viel aus. Meine Schlafversuche werden immer wieder durch die lauten Ansagen, die jeweils mit einer schrecklichen Melodie eingeleitet werden, vereitelt. Ich suche ein “Kafe”, wie es hier in Russland geschrieben wird.

Die Auswahl ist nicht gerade berauschend. Aber ich stille meinen Hunger etwas und einen guten Tee gibt es auch. Aber schon bald werde ich hier vertrieben, weil der Kellner das Lokal schließen will. Zurück in der Wartehalle beobachte ich die Menschen und träume vor mich hin. Dann ein wenig lesen auf dem iPad und wieder dösen. So lösen sich die sechs Stunden schnell in Luft auf. Kurz vor Abfahrt treffe ich noch ein deutsches Paar aus Mannheim. Wir gehen zusammen zum Bahnsteig, aber sie müssen zum Wagen 1, ich bin in Wagen 8.

Im Abteil fühle ich mich wieder “zurück in der Zivilisation”. Alles ist neu und sauber, nur ein Bett oben ist belegt, alles Bestens. Kurze Zeit später kommt ein Junge (14 Jahre) ins Abteil und wie Tarzan schwingt er sich nach oben. Die oberen Betten sind ziemlich hoch und man kann über zwei Trittstufen, die seitlich an der Abteilwand angebracht sind, nach oben steigen.

Der Stopp an den größeren Bahnhöfen beträgt so ca. eine halbe Stunde, es bleibt also immer genügend Zeit zum Ein- und Aussteigen. Auch werden mit dieser Zeitspanne immer wieder kleine Verspätungen ausgeglichen. Nach wieder ein paar Augenblicken kommt ein weiteres Paar in das Abteil und richtet sich ein. Sie kommen aus Straßburg und wir unterhalten uns die ganze Reise sehr angeregt. Er ist Fotograf, sie Journalistin und kann sehr gut Deutsch sprechen.

Immer mal wieder kommt der Freund unseres kleinen Mitfahrers zu uns ins Abteil und der will ganz genau wissen, was denn verschiedene Sachen in Europa so kosten, BMW, Mercedes, Haus, Wohnung, Iphone etc. Wir kramen unsere letzten Russischkenntnisse zusammen, schreiben Zahlen auf Servietten und so vergeht die Fahrtzeit wie im Fluge.

Nach einem Stopp um halb acht besuche ich noch schnell dem Restaurant im Zug. Es sieht wieder komplett anders eingerichtet aus, als in den anderen Zügen, obwohl diese die gleiche Zugnummer hatten. Diesmal ist es sehr antiquiert eingerichtet. Auch die Menü-Karte sieht komplett anders aus. Von einem Mitfahrer lerne ich, dass der Betrieb der Restaurants in den Zügen bereits “outgesourced” ist, also der Betrieb wird durch private Firmen erledigt.

Ich bestelle ein sehr schmackhaftes Hähnchenschnitzel mit “Kartofln fri”, also Pommes. Dazu ein kühles Warsteiner und die Welt ist einfach in Ordnung. Draußen zieht die herrliche Landschaft vorbei und wegen der kurvigen Strecke kann ich immer mal wieder die Lok vorne sehen.

Meine Ankunft in Tschita wird um 0:11 sein und schon 40 Minuten vorher kommt die Schaffnerin und will mich wecken. Zu ihrem Erstaunen sitze ich bereits “auf gepackten Koffern” fertig zum Aussteigen. Wir erreichen Tschita mit kleiner Verspätung und ich gehe über die Fußgängerbrücke zum Bahnhofsvorplatz, wo schon die Taxis bereit stehen. Ich gehe auf das nächste Taxi zu und der Fahrer hilft mir sofort mit dem Gepäck. Nach wenigen 100 Metern erreichen wir mein Ziel, das Hotel Zabaikale in Tschita. Ich wusste nicht, dass der Weg so kurz ist, sonst wäre ich ihn bestimmt gelaufen. Der Fahrer will 200 Rubel von mir, was ich nun wirklich unverschämt finde. Aber er geht immerhin mit mir ins Hotel und hilft mir mit dem Gepäck.

Die Rezeption ist nicht besetzt und aus einer Türe kommt ein Security-Mann. Ich muss klingeln und dann endlich kommt die Rezeptionistin völlig verschlafen aus einer Türe. Sie findet meine Reservierung, nur der Preis ist höher, als mir mein Kollege aus Moskau mitgeteilt habe. Als ich ihr dies in einem sehr ernsten Ton (das war die Anweisung meines Kollegen aus Moskau, dass ich dies immer tun müsse, wenn ich mir Respekt verschaffen will) sage, dass ich das so nicht akzeptiere, sinkt schon der Übernachtungspreis um 1000 Rubel. In den russischen Hotels muss man den kompletten Übernachtungspreis immer im Voraus beim Einchecken zahlen.

Ich bekomme, wie angekündigt, ein sehr schönes Zimmer in der neu renovierten sechsten Etage des Hotels. Leider nicht mit Aussicht auf den zentralen Lenin-Platz in der Stadt.

Als ich noch schnell in die Dusche will, lasse ich das Wasser endlos lange laufen, aber es bleibt kalt. Ich entscheide mich dann doch, das Duschen auf morgen zu verschieben.

In wenigen Sekunden schlafe ich nach den Strapazen der vergangen zwei Tage ein.