Archiv für die Kategorie „Irkutsk - Baikalsee“

postheadericon Sonnenschein in Irkutsk

Die Sonne weckt mich. Endlich hat der Regen aufgehört. Ein strahlend blauer Himmel präsentiert sich über Sibirien und dem Baikalsee. Galina wartet schon mit den Frühstück und heute gibt es sogar noch zusätzlich Wurst und Käse. Sie versucht wieder Kommunikation auf Russisch und einige Worte sind mir klar, aber das meiste verstehe ich nicht. Ich frage sie nach den Abfahrtszeiten des Busses und über einen Schreibblock können wir uns perfekt verständigen. Sie will mir auch ein Taxi rufen. Als ich nach 30 Minuten fertig gepackt habe, kommt ihr Sohn Andrej und öffnet das elektrische Garagentor. Dann holt er sein Auto raus und sagt nur Taxi. Ja, der Tourismus blüht und diese Familie gehört sicherlich zu den Gewinnern der Entwicklung. Andrej bringt mich mit meinem schweren Rucksack wieder zur Anlegestelle und will “nur” 150 Rubel haben, immerhin 50 weniger als der Freund der Rezeptionistin an der Tourist Information.

Ein Toyota-Minibus steht schon bereit zur Abfahrt nach Irkutsk. Ich bin noch alleine und verstaue meinen Rucksack im Kofferraum. Der Fahrer sagt mir auf Russisch, dass das Gepäck 30 Rubel extra kostet und ich habe ihn gleich verstanden. Schon nach ein paar Minuten setzen wir uns in Bewegung, obwohl ich erst dachte, dass der Bus solange wartet, bis genügend Leute zusammen sind. Wir fahren die Küstenstraße entlang des Baikal-Sees und schon stehen Leute am Rande der Straße und wollen mitgenommen werden. Der Stopp dauert nur Sekunden, alles geht flott. Dann setzen wir unsere Fahrt auf der hügeligen Straße Richtung Irkutsk fort. Rechts und links nur Wald. Immer mal wieder ein kleines Dorf. Die Straßen erinnern mich sehr an Schweden. Sie gehen Kilometer geradeaus, dann eine Kurve und wieder endlos geradeaus. Der Fahrer fährt einen sehr aggressiven Stil, überholt riskant und fährt bei über 100 km/h auf einen Meter zum Vordermann auf. Mir ist mulmig, aber die anderen Fahrgäste bleiben cool. Wahrscheinlich wird auch er nach gefahrenen Kilometern bezahlt wie die Busfahrer in der Stadt.

Nach ca. 50 Minuten erreichen wir den Stadtrand von Irkutsk. Der Bus ist mittlerweile fast voll von Leuten, die wir auf der Stracke eingesammelt haben. Nun wird der Fahrer aufgefordert an den gewünschten Stellen anzuhalten. Ich bleibe aber bis zur Endhaltestelle sitzen. Nachdem wir das Menschengewühl am Markt in Irkutsk durchfahren haben, kommen wir am sogn. Avtowaksal, dem Busbahnhof, an. Sofort erkenne ich auf der rechten Seite das Dekabristen-Museum, was ich vor 2 Tagen besichtigt habe. Es liegt nicht weit von dem Delta-Hotel entfernt. Ich entscheide mich zu laufen und die Straße kommen mir gleich wieder bekannt vor. Auch das Büro des Notars finde ich wieder. An der nächsten Straßenecke sehe ich schon das Hotel.

Beim Betreten der Hotelhalle werde ich schon mit meinem Namen begrüßt. So etwas habe ich sonst nur in sehr teuren Hotels erlebt. Ich muss vor 3 Tagen einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Schnell bekomme ich wieder das gleiche Zimmer und kostenlosen Zugang zum Internet, damit ich meine Bilder ins Netz kopieren kann. Nach einer schönen Dusche mache ich mich auf den Weg um die Teile der Stadt zu erkundigen, die ich wegen dem Orgelkonzert nicht mehr besichtigen konnte. Als erstes komme ich auf den großen Samstagsmarkt. Hier wimmelt es nur so von Leuten und alles ist sehr eng. Zum ersten Male fühle ich so ein Gefühl wie “Beklemmung”. Die angebotenen Waren sind vollkommen uninteressant für mich. Die angebotenen Kleidungsstücke sehen aus, als kämen sie bei uns aus der Altkleidersammlung. Ansonsten gibt es nur Unmengen von Tomaten, Gurken, Kohl und Kartoffeln. Es stehen sehr viele alte Frauen auf dem Markt, die sich wohl mit selbst gezogenem Gemüse die Rente aufbessern.

Schnell befreie ich mich aus dem Gewühl und gehe auf die feine Karl-Marx-Straße. Hier findet man schicke Geschäfte und man weiss gar nicht, wie die Leute sich das hier leisten können. Pavel in Moskau hatte mir erzählt, dass sich viele Menschen hoch verschulden, um den Luxus, den sie in der Öffentlichkeit zeigen, auch bezahlen zu können.

Ich gehe auf die in jeder russischen Stadt vorhandenen Ulitsa Lenina (Leninstraße) entlang. Überall sieht man prachtvolle Verwaltungsbauten und Denkmäler in der Stadt. Ich komme an den Fluss Angara mit dem Zarendenkmal, das sich hoch über einem großen Platz erhebt. Hier fahren pausenlos die Brautautos vor, damit die Fotografen in dem angrenzenden Park die Brautpaare fotografieren können.

In einem Rundweg erreiche ich wieder mein Hotel. Da ich mich die letzten beiden Tagen wegen des Regens nur von Tütennahrung ernährt habe, bestelle ich ein feines Abendessen im Restaurant. Ich bin der einzige Gast und 3 Kellnerinnen sorgen sich um mein Wohlsein. Das Essen schmeckt vorzüglich nur das Dessert hat schon zu lange in der Kühlvitrine gestanden.

Da ich morgen früh schon um 5 Uhr raus muss um meinen Zug nach Ulan-Ude zu erreichen, packe ich schon alle Sachen und gehe früh ins Bett.

postheadericon Regen, Regen, Regen

Ich schlafe erst einmal richtig aus. Draußen regnet es immer noch in Strömen. Gegen 10:00 gehe ich ins Nachbargebäude zum Frühstücken. Galina hat schon die Tische gedeckt. Zum Frühstück gibt es Brot mit Tomate und Gurken und ich bekomme auf Nachfrage auch zwei Spiegeleier gebraten. Als “Nachtisch” gibt es Plini (Pfannekuchen) mit Marmelade. Eben alles was der Garten so her gibt. Mittlerweile möchte ich nur noch Tee trinken. Wie der Kaffee in Russland schmeckt, weiß ich gar nicht. Ich habe als Gastgeschenke für die Familien, bei denen ich übernachte, jeweils ein Päckchen Kaffee mitgenommen. Bisher haben sich alle sehr über die Aufmerksamkeit gefreut. Der deutsche Kaffee ist besonders beliebt und alle riechen sofort an dem duftenden Kaffee.

Ich bin noch alleine im Frühstücksraum und Galina probiert ein wenig russische Kommunikation mit mir, die aber wegen meinem geringen Wortschatz sehr schnell zu Ende ist. Gerne würde ich mich fließender mit den Menschen unterhalten können.

Nun kommen zwei junge Paare aus Deutschland in den Frühstücksraum. Auch sie bekommen das gleiche Frühstück wie ich. Sie sind so in ihre Gespräche vertieft, dass sie mich gar nicht weiter beachten.

Ich trinke noch meinen Tee aus und überlege wie ich den Tag gestalten könnte. Durch den weiter heftigen Regen bleiben nicht viele Optionen. Ich gehe erst mal wieder auf mein Zimmer und schreibe noch etwas an meinen Berichten und mache es mir gemütlich beim Lesen. Gegen 14:00 lässt der Regen etwas nach und ich sehe eine Chance, doch etwas die Gegend zu erkundigen. Um auch dem Lagerkoller zu entgehen muss ich jetzt einfach mal vor die Türe, egal auch wenn es regnet. Ich ziehe mir die mitgeschleppten Regenklamotten an und laufe ins Dorf. Es gibt eigentlich nur die eine geteerte Hauptstraße, alle anderen Nebenstraßen sind unbefestigt und bei dem Regen wahre Schlammtümpel. Nur mühsam komme ich voran. Ich sehe die russisch orthodoxe Kirche und finde nur mühsam den Weg dorthin. Innen darf man keine Fotos machen, denn es sind immer einige betende Frauen in der Kirche. Seltener sehe ich auch mal Männer in der Kirche. In der Kirche steht kein Altar sondern an den Wänden hängen Bilder und Kreuze. Es gibt auch sehr viele Kerzenständer, denn die Frauen zünden in der Kirche immer eine dünne Kerze an.

Überall im Dorf entstehen neue Gebäude. Hier wachsen die Hotels und Pensionen für die Gäste von morgen. In einigen Fällen scheint allerdings die Finanzierung des Projektes nicht durchdacht worden zu sein . Zurück bleibt eine Bauruine die wohl Jahre lang das Dorfbild verschandeln wird.

Nun laufe ich zurück an die Uferstraße und gehe zum Hafen, dem Zentrum von Listvjanka. Eigentlich wird in den Reiseführern mehr aus dem Ort gemacht, als er wirklich ist. Wenige Häuser, ein großes Hotel und sonst nichts. Ich gehe weiter an den Hafenanlagen vorbei und entdecke den lokalen Markt. Dort stehen die Frauen und verkaufen den Omul-Fisch in verschiedenen Zubereitungen, auch getrocknet. Ich schaue mir das Ganze nur an und nehme vom Probieren Abstand. Bisher bin ich ohne Magen-Darm-Probleme und das soll auch so bleiben. An weiteren Tischen werden kitschige Souvenirs verkauft. Ich finde aber so gar nichts, was ich den Lieben daheim mitbringen könnte.

Es regnet nicht mehr so stark und so kann ich ganz schnell doch noch das ein oder andere Foto schießen ohne die Kamera zu gefährden.

Langsam mache ich mich auf den Rückweg, weil es nichts mehr zu entdecken gibt. Irgendwie hatte ich nach den Beschreibungen im Reiseführer mehr vom Baikalsee erwartet.

Im Hotel hänge ich erst mal die nassen Klamotten zum Trocknen auf, damit ich sie nicht morgen nass in den Rucksack packen muss. Der Rest des Abends verläuft unspektakulär. Ich mache ein Nachmittagsschläfchen und lese ein Buch über die Lehren des Buddha. Morgen geht es wieder zurück nach Irkutsk. Ich habe noch nicht genau entschieden ob wieder mit dem Boot oder mit dem Bus. Mal schauen wie das Wetter morgen so ist.

 

postheadericon Regen am Baikalsee

Ich habe mich immer noch nicht komplett an die fortschreitende Zeitverschiebung gewöhnt. Zu schnell wurden Tag für Tag die Uhren jeweils eine Stunde später gestellt. Deswegen wache ich morgens auch nicht so frühzeitig auf, damit ich im Hotel noch das Frühstück genießen kann. Also stelle ich mir den Wecker obwohl ich ja eigentlich im Urlaub bin.
Als ich in den Frühstücksraum komme haben die meisten Gäste schon gefrühstückt. Das Hotel ist ein typisches Business-Hotel, in dem Veranstaltungen und Schulungen von Firmen stattfinden. Nur eine Frau sitzt noch im Frühstücksraum. Das Buffet ist noch reichhaltig ausgestattet und ich genieße die volle Aufmerksamkeit des anwesenden Personals. Alle kümmern sich aufmerksam und freundlich um meine Wünsche. Ich bekomme sogar ein frisch gekochtes Ei gebracht. Am Buffet fällt mir auf, dass es hier viel mehr deftige, warme Speisen zum Frühstück gibt als bei uns.

Zurück im Zimmer nutze ich schnell noch die schnelle Internetverbindung des Hotels um die Bilder von meinem Stadtrundgang gestern ins Netz zu laden. Für das Verfassen der Texte habe ich jetzt keine Zeit mehr, denn ich muss noch meinen Rucksack packen.

Heute fahre ich mit dem Boot von Irkutsk über den angestauten Fluss Angara hinauf zum Baikalsee. Diesen Tipp habe ich von den beiden Studenten aus Dresden bekommen, die ich bei Elena in Novosibirsk getroffen habe. Das Boot heißt “RAKETA” und soll wirklich wie eine Rakete abgehen. Es ist ein sogn. Hydrofoil-Boot, was auf unter dem Kiel angebrachten Flügeln bei entsprechender Fahrt auf der Wasseroberfläche gleitet. Der Baikalsee ist riesig und 20 Prozent des gesamten Süßwasservorrates der Erde sind hier zu finden. Er hat mehr Wasser als die fünf großen Seen in Amerika/Kanada zusammen. Das liegt daran, dass er so unendlich tief ist, fast 1700 Meter. Außerdem wird er jedes Jahr zwei Zentimeter breiter und die Wissenschaftler gehen davon aus, dass hier ein neuer Ozean entstehen wird. In dem See leben im nördlichen Teil 60.000 Baikal-Robben, die ihren Artgenossen aus dem Meer sehr ähnlich sind, nur kann sich bis heute kein Wissenschaftler erklären, wie sie da hin gekommen sind und in dem Süßwasser leben können. Das Wasser soll sehr klar sein, bis zu 40 Meter soll man von der Oberfläche aus in die Tiefe schauen können. Ab Ende Oktober friert der See zu. Bei Eisstärken über einem Meter kann man mit dem Auto über den See fahren.

Mit dem Taxi erreiche ich die Bootsanlegestelle der “RAKETA”. Das Taxi ist äußerst günstig. Taxameter gibt es hier generell nicht. Der Taxifahrer hatte am Hotel den Kilometerzähler auf 0 gestellt um dann am Ziel den Fahrpreis korrekt ausrechnen zu können. Schnell finde ich das Kassenhäuschen und kaufe ein einfaches Ticket nach Listvjanka, ein kleines Dorf am Baikalsee. Dort hatte ich über “Helen’s Homestay” das “Family Hotel Dauria” gebucht. Es soll nicht direkt am See liegen, aber mitten in der Gemeinde in dem interessanten Tal mit all den dort vorhandenen Sehenswürdigkeiten.

Ich muss nur eine halbe Stunde warten bis das Boot anlegt. Sofort setzen sich alle wartenden Passagiere in Bewegung und gehen zum Boot. Draußen ist es windig und kalt. Auf dem aufgestauten Fluss kräuseln sich die Wellen. Um mich rum sind jede Menge “Backpacker”, aber fast alles Russen. Durch den engen Eingang steige ich ins Boot und mein nummerierter Platz ist gleich neben der Türe. Es gibt kaum Platz für die Gepäckablage, aber mit viel Palaver wird alles irgendwie verstaut. Und schon geht die Fahrt los. Das Boot erinnert mich schon auf den ersten Metern an das ferngesteuerte Rennboot was ich mal zusammen mit meinem Sohn vor langer Zeit gebaut habe. In einem irren Tempo setzt es rückwärts aus dem Hafen um dann erst richtig schnell nach vorne loszubrausen. Man merkt wie sich das Boot aus dem Wasser hebt und nun beginnt der Höllenritt auf der durch Wellen unebenen Wasseroberfläche. Es fühlt sich an, als würden wir mit 100 Sachen über einen unebenen Feldweg fahren.

Nach einer Stunde erreiche ich Listvjanka. Ich muss schnell meinen Rucksack aufsetzen um nicht den Ausstieg zu verpassen. Die meisten Passagiere fahren wohl noch weiter nach Norden den See hinauf. Am Pier muss ich mich erst einmal orientieren. Weit und breit kann ich kein Taxi erkennen, nur Minibusse warten auf Passagiere. Plötzlich sehe ich die Touristeninformation und ein Schild, dass sie Englisch sprechen können. Die junge Frau an der Rezeption ist sehr hilfreich und will mir ein Taxi rufen. Mein Ziel ist nur ca. 2 Kilometer entfernt. Schon nach einer Minute ist der “Taxifahrer” da, ich denke es ist ihr Freund mit seinem Privatauto, der die Touristen in die umliegenden Hotels fährt. Es soll 200 Rubel (5 EUR) kosten, ein stolzer Preis im Vergleich zur über 10 km langen Fahrt zur RAKETA, wo ich nur 180 Rubel bezahlt habe. Im Kofferraum des “Taxis” liegt eine Plastiktüte mit ca. 20 tote n Fischen, die der Fahrer mit einem anderen Mann aufteilt. Es ist der Omul-Fisch, ein lachsartiger Fisch, ca. 25-35 cm lang, der hier im See gefangen wird und auf verschiedenste Arten zubereitet wird. Getrocknet wird er als Delikatesse angeboten. Mein Kollege in Moskau hat mich bereits vorgewarnt, ich soll ja nicht den getrockneten Fisch essen, da könnten Würmer drin sein, die zu ernsthaften gesundheitlichen Gefahren werden könnten.

Wir fahren die Straße am See entlang und nach kurzer Zeit biegt er nach rechts in das Dorf hinein. Nach wenigen hundert Metern erreichen wir das Ziel und auf dem Schild des Hauses kann ich lesen, dass wir richtig sind. Er klingelt noch an dem großen eisernen Tor und schon kommt die nette Hotelbesitzerin, die mich gleich beim Namen nennt. Sie hat mich wohl schon früher erwartet. Sie zeigt mir das “Luxe”-Zimmer. Es ist ein Zwei-Bett Zimmer. Sie haben hier auch noch Schlafräume für bis zu 8 Personen. Es ist einfach aber nett gestaltet, hat eine separate Toilette und eine kleine Kochecke mit Wasserkocher für den Tee.

Draußen regnet es mittlerweile stärker und ich beschließe, erst einmal ein paar Texte zu schreiben. Schon bald fallen mir die Augen zu und ich mache erst mal ein kleines Mittagsschläfchen. Als ich wieder aufwache, gießt es in Strömen. Der Himmel ist grau in grau verhangen und ich sehe keine Hoffnung für diesen Tag mehr, dass das Wetter besser werden wird. Ein Check der Wettervorhersage bestätigt dies, leider ist auch für die kommenden beiden Tage das Wetter mit schwerem Regen vorhergesagt.

Ich bleibe im Zimmer und lese und höre Musik. Heute Abend werde ich zum ersten Male auf meine “Globetrotter” Notessensrationen zurückgreifen. Das sind Aluminiumbeutel, in dem sich in getrocknetem Zustand jeweils eine köstliche Mahlzeit befindet. Man muss nur 300 ml kochen heißes Wasser aufgießen und nach 10 Minuten hat man die fertige Mahlzeit. Ich entscheide mich für “Chili-con-Carne”. Mit dem vorhanden Wasserkocher ist das Wasser schnell zubereitet und der Rest ist wirklich einfach. Der Geschmack ist auch ganz OK wenn man nichts besseres hat. Aber die russische Küche hat mich in den letzten Tagen doch zu sehr verwöhnt.

Schnell wird es draußen dunkel und der Regen hämmert immer noch unablässig auf die Vordächer aus Aluminium. Ich beschließe den Tag ganz gemütlich mit Schreiben und Lesen. Heute habe ich sogar den ersten Artikel für meine englisch sprechenden Kollegen übersetzt.

 

 

postheadericon Kultur in Irkutsk

Da mein Zug erst 12:38 im Bahnhof Irkutsk ankommen wird, lasse ich mir mit dem Aufstehen Zeit. Im Bett liegend sehe ich die Landschaft vorbeiziehen. Es ist schon richtig herbstlich  draußen. Nebelschleier (diesmal bin ich mir sicher, dass es kein Rauch ist!) liegen über den Wiesen. Der Himmel ist grau in grau. Und ein wenig Melancholie macht sich in mir breit.

Schon 50 Minuten vor der Ankunft kommt die Provodniza und will das Abteil aufräumen. Auch sammelt sie die hübschen Teegläser wieder ein. Sie sind immer sehr darauf bedacht, dass alles in bester Ordnung ist. Ich überrede sie mit Händen und Füßen mir das Teeglas zu verkaufen. Aber erst verschwindet sie, um den Preis zu “erfragen”. Ich denke, sie überlegt erst mal eine Weile, wie viel sie dem dummen Touristen aus der Tasche ziehen kann. Sie kommt mit dem Vorschlag von 1500 Rubel (40 EUR) Ich handele sie auch 1000 (25 EUR) runter. Ich denke, das ist immer noch ein sehr hoher Preis, aber für mich später ein schönes Andenken an die Reise.

Wieder kommen wir auf die Minute pünktlich im Bahnhof an. Die französische Familie wünscht mir “Bon voyage”. Und ich gehe langsam zum Bahnhofsvorplatz.

Heute musste ich zum ersten Male meine Reisepläne ändern. Ich hatte hier in Irkutsk ein Zimmer bei “Helen’s Homestay” gebucht. Doch Helen schrieb mir per Email, dass sie leider aus familiären Gründen die Buchung stornieren müsste. Schade, ich hatte mich schon darauf gefreut und günstig war die Unterkunft auch. So habe ich dann bereits in Krasnojarsk das Delta-Hotel hier in Irkutsk gebucht. Es liegt in der Ulitsa Karla Liebknechta 58. Also der Karl-Liebknecht-Straße.

Ich laufe an den ganzen lästigen Taxifahrern vorbei, die die Touristen umschwärmen wie Fliegen den Misthaufen. In einem fast neuen Ford sitzt ein Taxifahrer Typ russischer Opa. Er steigt sofort aus, als er mich kommen sieht und hilft mir mit dem Rucksack. Ich erkläre ihm mein Ziel, was er sofort kennt, und ab geht die Fahrt durch das pittoreske Irkutsk, das auch “Paris Sibiriens” genannt wird. Schon bald erreichen wir das Hotel. Der alte Stadtkern ist nicht so groß wie die großen Städte, die ich zuvor besichtigt habe. An der Rezeption wird mir dann eröffnet, dass ich das gebuchte Zimmer leider nicht haben kann, weil alles voll ist. Aber sie könnten mir zu einem wesentlich günstigeren Preis (die Hälfte) ein einfacheres Zimmer anbieten. Ich schaue mir kurz das Zimmer an und es ist Luxus pur im Vergleich zu dem Zimmer in Ekaterinburg. Alles ist neu und sauber und ich nehme es sofort. Ich muss nur noch auf die Reinigung warten, aber das ist in wenigen Minuten erledigt. Da ich noch nicht gefrühstückt hatte und es nun bereits 13:00 ist (allerdings hatte ich wieder mal eine zusätzliche Stunde Zeitverschiebung, nun insgesamt 7 Stunden zu Deutschland) gehe ich ins Restaurant. Es ist noch übervoll und leider bekomme ich keinen Platz mehr. Ich soll in einer Stunde wiederkommen. Ich nutze die kostenlose Internetverbindung und stelle die nächsten Bilder und Berichte ins Netz. Nach einer Stunde ist das Restaurant leer. Ich soll mich zwischen Business-Lunch oder Menü entscheiden. Ich setze voll auf Risiko, denn ich kann auf der russischen Menükarte nicht lesen, was ich zu essen bekomme. Es geht los mit einem schmackhaften Salat aus kleingeschnittenen Möhren, Gurken und Schinkenwürfeln und Erbsen, die mit einer sehr delikaten Soße angemacht sind. Danach kommt eine Lachs-Fischsuppe. Das Hauptgericht ist Rindergulasch mit Kartoffelbrei. Ein Desert und Tee kommt auch noch. Und für alles das bezahle ich gerade mal 7 EUR.

Ich schnappe mir meine Kamera und erobere die Stadt. Schon im Vorfeld habe ich den Reiseführer studiert und mir einen Überblick verschafft. Ich plane einen Rundgang, auf dessen Strecke ich möglichst alle Sehenswürdigkeiten ablaufen will. Als erstes steht das Dekabristen Museum auf dem Plan.

Dekabristen werden nach einer Revolution im Dezember 1825 in Russlands damaliger Metropole St. Petersburg benannt. Damals versuchten aufständische junge Adlige den Zar Nikolaj I. zu stürzen. Doch durch Verrat war der Zar vorgewarnt und konnte den Putsch vereiteln. Zur Strafe wurden die Anführer im Juli 1826 hingerichtet und 121 Mitstreiter wurden zu lebenslänglicher Zwangsarbeit nach Sibirien geschickt. Sie lebten hier in Irkutsk und in Chita und werden heute noch als Freiheitskämpfer in der sibirischen Bevölkerung sehr verehrt.

Beim Gehen durch die Straßen entdecke ich einen Vertreter unserer Zunft: Ein Notar hat hier sein unscheinbares Büro.

Mein weiterer Weg führt sich zu einer Ansammlung von Kirchen. Auch steht hier die ehemals katholische Kirche der polnischen Gemeinde. Das Haus wird aber heute nur noch als Orgelkonzertsaal benutzt. Beim Vorbeilaufen erblicke ich ein Plakat und kann lesen, dass heute um 18:00 ein Orgelkonzert stattfindet. Auf dem Programm stehen Werke von Johann Sebastian Bach, C. Frank und Sergei Sergejewitsch Prokofjew. Es ist 17:15! Ist das nicht ein Zufall, spontan beschließe ich das Konzert zu besuchen. Die Zeit bis zum Konzert schaue ich mich noch ein wenig in der Gegend um. Nach und nach kommen vor der orthodoxen Kirche ein Brautauto nach dem anderen an. Die Bräute übertreffen sich jeweils in Schönheit und Prunk. Auch die Autos sind sehr aufwendig geschmückt. Und schnell wird klar, dass für die Hochzeit wohl die letzten finanziellen Reserven mobilisiert werden um das schönste Fest des Lebens zu veranstalten.

Um kurz vor 18:00 werden wir in die “Kirche” eingelassen. Für mich überraschend ist der Raum fast komplett mit Zuhörern gefüllt. Auch sind sehr viele junge Zuhörer anwesend. Der Organist kommt vor die Orgel, die nun an der Stelle des Altares eingebaut wurde und gibt vor jedem Stück jeweils eine mündliche Einführung. Ein schriftliches Programm gibt es leider nicht. Danach spielt er jeweils ein Stück. Sehr aufmerksam lauschen die Zuhörer seinen Darbietungen. Es sind durchweg einfache Stücke und ich nehme mir vor, auch wieder mal Orgel zu spielen.

Als ich wieder aus der Kirche rauskomme, ist es bereits am Dämmern und deutlich kälter. Noch liegt eine enorme Route vor mir um wieder zum Hotel zu gelangen. Ich ändere deswegen meine Pläne und laufe direkt zum Bahnhof, den ich diesmal schon vor meiner Abreise fotografieren will. Außerdem erhoffe ich mir von dort die besten Möglichkeiten mit dem Bus Richtung Hotel zu kommen.

Am Bahnhof schaue ich mir die verschiedenen Ziele der Busse an. Langsam kann ich die Namen auf den Schildern schnell genug lesen. Es kommt Bus 80 der Richtung Aeroport (Flughafen) fährt. In dieser Richtung liegt mein Hotel. Ich frage den Fahrer, ob er Richtung Delta-Hotel fährt und er gibt mir zu verstehen, dass ich hier richtig bin. Ich setze mich gleich auf die erste Bank und er nickt mir zu, dass er mir die Haltestelle beim Hotel zeigen wird.

Wir fahren durch die Stadt. Weil es schon so spät ist steigen nicht mehr viele Menschen zu. Plötzlich erkenne ich die Karl-Liebknecht-Straße und schon sehe ich das Hotel. Direkt vor dem Hotel hält er an. Eine Haltestelle ist nicht zu erkennen, also hat er extra für mich angehalten. Als ich ihm dann noch den Fahrpreis von 10 Rubel (25 Cent) geben will, winkt er nur ab. Als ich aus dem Bus steige winkt er mir noch freundlich hinterher.

Im Hotel herrscht lauter Trubel. Laute Musik kommt aus dem Restaurant. Es findet dort eine russische Hochzeitsfeier statt. Die Tische biegen sich unter der prall gefüllten Tafel. Alles ist sehr fein geschmückt und eine Band macht dazu laute Musik. Ich frage das Personal, ob ich noch etwas essen kann und werde dann in einen ruhigen Nebenraum geführt. Die Speisekarte ist so reichhaltig, dass ich mich nur schwer entscheiden kann. Ich bestelle Cäsar-Salat als Vorspeise und danach Schweinemedaillons mit Kartoffelgratin, dazu ein großes Bier. Alles schmeckt ausgezeichnet. Als ich wieder zurück durch den Hochzeitssaal laufe, machen die Russen gerade Hochzeitsspiele wie wir sie auch bei uns kennen. Eine junge Frau wird wohl gerade zur nächsten Braut gekürt. Satt und zufrieden gehe ich in mein schönes Zimmer und schlafe bald ein.