Archiv für die Kategorie „Ausflug in die Mongolei“
Im Schmuggler-Zug von Ulaanbaatar nach Ulan-Ude
Ein Klopfen an meiner Zimmertür weckt mich. Es ist der Etagenboy, der mir mein Frühstück aufs Zimmer bringt. Er hat einen kleinen Teller in der Hand, auf dem liegen zwei Toastbrot-Hälften mit Wurst belegt. Immerhin.
Ich dusche noch einmal vor der langen Reise bis nach Tschita. Nachdem ich meine Sachen wieder “reisefertig” verpackt habe, laufe ich zum Guesthoust rüber. Im Guesthouse herrscht Trubel, viele Gäste wollen abreisen, andere kommen gerade an. Die Bürodame ist etwas überfordert. Dann kritzelt sie mir noch auf einem kleinen Zettel meine Rechnung und ich bezahle mit dem Rest meiner Tugrik und ein paar US Dollar. Alles irgendwie unkompliziert.
Nun habe ich noch fast 2 Stunden Zeit bis zur Abfahrt meines Zuges. Ich schreibe noch schnell die Berichte von meinem Ausflug in den Nationalpark und schicke ihn ins Internet. Hier in der Stadt sind die Internetverbindungen auch wirklich schnell. Als es Zeit ist aufzubrechen, bitte ich die Rezeptionistin mir doch bitte ein Taxi zu rufen. Sie erklärt mir, dass jedes private Auto in der Mongolei ein Taxi ist. Man stellt sich einfach an die Straße, hält die Hand raus und wartet ein paar Sekunden. Dann hält schon jemand an. Wir machen das zusammen und prompt hält jemand. Sie erklärt dem Fahrer mein Ziel, aber der hat wohl in dem dichten Verkehr eine andere Richtung geplant. Beim nächsten Fahrzeug klappt es. Der Preis wird vorher ausgehandelt, 1000 Tugik (60 Cent). Der Kofferraum des Auto ist voll und so muss ich mit meinem großen Rucksack zusammen auf die Rückbank. Wir kämpfen uns durch den Stau. Schon nach wenigen Minuten sehe ich das mir bekannte Bahnhofsgebäude.
Die Wartezeit bis zur Abfahrt des Zuges verbringe ich in der Wartehalle, die wirklich an jedem Bahnhof in ähnlicher Form vorhanden ist. Es herrscht ein Kommen und Gehen und immer wieder hört man völlig unverständliche Ansagen. Eine Anzeigetafel wie auf den russischen Bahnhöfen fehlt. Aber Gott-sei-Dank kann die Dame der Auskunft etwas Englisch und ich kenne nun die Bahnsteignummer wo mein Zug abfährt. Es ist direkt der Bahnsteig, den ich aus dem Fenster sehen kann. Nun kann ich in Ruhe die Ankunft des Zuges abwarten. Draußen kommen immer mehr Leute und der Bahnsteig steht dicht gedrängt voll Menschen. Ich denke so, das wird ja voll werden im Zug. Der Zug fährt ein und als die Türen aufgehen, werden die Schaffnerinnen förmlich überrollt. Alles stürmt in den Zug, eine Fahrkartenkontrolle vor dem Zug ist für das arme Personal quasi unmöglich. Dazu werden riesige Bündel von Sachen in en Zug verladen, die alle irgendwie im Gang gestapelt werden. Ich zeige nach dem ersten Ansturm meine Fahrkarte und kann in mein Abteil. Das ist ca. 40 Jahre älter, als das was ich bisher gewohnt war. Kurz nach mir stürmen drei Jugendliche das Abteil und verstauen zahlreiche Taschen unter dem Sitz und in der oberen Gepäckablage. Dann verschwinden sie alle wieder. Diese Prozedur wiederholt sich, nur sind die Ablagen langsam gefüllt und der Erfindungsreichtum wird immer größer, wie man auch die letzte Lücke Platz in dem Abteil noch ausnutzen könnte.
Kurz vor Abfahrt klärt sich die Lage. Es ist wohl der allgemeine Tag, an dem die Studenten aus der Mongolei wieder zurück an die Unis nach Russland müssen. Ich fahre zusammen mit drei Studenten (ein Student, der nach Petersburg will und ein Studentenpaar, das nach Moskau will). Die Angehörigen verabschieden sich lautstark und teilweise tränenreich von ihren Lieben. Als wir aus dem Bahnhof fahren winken uns tausende Menschen zu. Sie werden jetzt ihre Studenten für ca. ein halbes Jahr nicht sehen.
Direkt nach der Abfahrt klettert der eine Student erst mal zu seiner Freundin ins Bett, die Eltern sind wohl über das Liebesverhältnis noch nicht informiert. Dann werden die ganzen Lebensmittel für die nächsten Tage ausgepackt. Immerhin ist der Student bis Sankt Petersburg 6 Tage am Stück im Zug unterwegs. Überall baumeln von der Decke die Salamiwürste und das Abteil füllt sich mit den unterschiedlichsten Gerüchen. Auch haben die Studenten noch gekochtes Fleisch, Pfannkuchen und jede Menge Getränke dabei. Der kleine Tisch im Abteil ist so voll, dass ich nicht mal mehr meine Brille ablegen kann.
Schnell verlassen wir Ulaanbaatar und die endlose Steppe der Mongolei zieht an uns vorüber. Wir halten nur sehr selten, denn wir sind mit dem einzigen Schnellzug aus der Mongolei unterwegs.
Die Tür zum Abteil möchte ich eigentlich immer geschlossen halten, aber das ist hier unmöglich. Immer wieder kommen wild fremde Menschen ins Abteil und versuchen Waren jeder Art bei uns unterzubringen. Decken, Handtaschen, Sporthosen, T-Shirts etc. Diese Waren sollen alle unauffällig über die Grenze geschmuggelt werden. Als die Schmuggler merken, dass ich kein mongolisch kann, lassen sie mich schnell in Ruhe. Die Studenten nehmen aber alles was geht an. Die Wolldecken werden sorgfältig unter der Matrazenauflage verstaut, die Handtaschen ineinander gesteckt, dass zum Schluss nur noch eine Handtasche unauffällig am Haken hängt, die Sporthosen jeweils 4 Stück übereinander gezogen. Das Prozedere dauert ca. 4 Stunden und wird auf die Dauer echt nervig.
Als es bereits draußen dunkel ist erreichen wir den mir schon bekannten mongolischen Grenzbahnhof. Die gleiche Prozedur beginnt wie bei der Einreise. Pässe einsammeln, Zollkontrolle, Warten, Warten, Warten. Nach ca. 2 Stunden können wir Richtung russischer Grenze weiterfahren. Unterwegs halten wir nochmal an und ich sehe im Dunkeln Beamte, die mit den Taschenlampen den Zug von unten absuchen. An der russischen Grenze die gleiche Prozedur nur doppelt so lange. Der Zöllner hat schnell die Studenten im Visier und merkt, dass hier was nicht stimmt. Sie müssen ihre Deklarationen nochmal nachbearbeiten. Was das konkret bedeutet, verstehe ich nicht. Es wird unendlich heiß im Abteil und es kommen auch noch weitere Studenten zu uns. Es ist mittlerweile schon fast zwei Uhr nachts und ich würde jetzt gerne schlafen. Endlich gegen 2:15 erhalten wir unsere Pässe zurück und wir können endlich weiterfahren. Schnell kehrt Ruhe ein und ich kann endlich schlafen.
Von den russischen Schaffnerinnen war ich ja den “Weckservice” gewohnt. Die mongolischen Schaffnerinnen bieten diesen Service nicht und so bin ich froh, dass ich meinen Wecker gestellt habe. Das war wieder eine kleine Rechenaufgabe, weil es in Russland schon wieder eine Stunde später ist als in der Mongolei. Pünktlich um 07:38 erreichen wir den Bahnhof Ulan-Ude, den ich ja schon kenne. Ich laufe direkt in den Wartesaal und werde hier auf die Abfahrt meines Zuges heute Nachmittag warten.
Nacht in der Jurte
Schon den ganzen Morgen hat es heftig geregnet. Der Regen macht eine kurze Pause als wir unendlich viele Kartons in den Kofferraum des PKW packen. Ein Fahrer wird uns in den Nationalpark Terelj bringen. Als alles verstaut ist, machen wir uns auf den Weg durch das Verkehrsgewühl der Stadt. Es regnet wieder mehr und die Wolken hängen sehr tief. Ich denke, dass ich wirklich extrem vom Pech verfolgt bin. Immer wenn ich einen Ausflug in die Natur mache schüttet es so.
Am Stadtrand an einer Tankstelle hält der Fahrer an. Ich habe gar nicht gemerkt, dass wir einen Platten haben. Er probiert es erst mit Luft aufpumpen, aber das hilft hier nicht mehr. Der Reifen muss gewechselt werden. Er hat wohl kein Ersatzrad und so machen sich er und ein Mechaniker an die Arbeit den Reifen per Hand von der Felge zu wechseln. Alles geht erstaunlich schnell und bald können wir unsere Fahrt weiterführen. Der Regen ist so stark, dass die Scheibenwischen kaum für klare Sicht sorgen können. Dazu weht ein heftiger Wind, der den Regen quer über die Straße peitscht. Aber am Horizont entdecke ich mit meinem geübten Auge ein kleines Wolkenloch. Innerhalb von Minuten reißt der graue Himmel auf und das herrliche Blau kommt hervor.
Bald machen wir einen Stopp an einem Anbetungshügel. Idres Sohn erklärt mir, dass ich drei Steine nehmen muss, den Hügel betend dreimal umrunden soll und nach jeder Runde einen Stein auf den Hügel werfen soll. Bei dem Haufen haben schon viele hier ihre Gebete verrichtet.
Wir fahren weiter zu einer Höhle in einem beeindruckenden Granitfelsen. Hier sollen 120 Mönche gelebt haben. Als wir in die Höhle einsteigen, denke ich so, dass da verdammt wenig Platz für den Einzelnen gewesen sein muss.
Langsam erreichen wir den Nationalpark und müssen an einer modernen Schranke Maut bezahlen. Wir passieren malerische Flusstäler und die Gegend sieht immer mehr aus, als wären wir mitten in der Schweiz. Deswegen wird dieses Gebiet auch “Mongolische Schweiz” genannt. Immer wenn wir an den Auffahrten zu den Brücken wegen der großen Unebenheiten sehr langsam fahren müssen, haben sich am Straßenrand strategisch günstig Frauen positioniert, die in Gläsern wilde Beeren verkaufen. Da wir den kompletten Proviant für die kommenden zwei Tage dabei haben, machen sie leider kein Geschäft.
Wir kommen nun zu einem sehr berühmten Felsen, der in nahezu jedem Reiseführer erwähnt ist: Turtle Rock. Das ist ein Felsen, der wie ein Schildkröte aussieht. Auch ihn besteigen wir und Idres Sohn klettert voran und spornt mich an, die waghalsigen Klettereien mit ihm zu machen. Als er mich durch eine enge Felsspalte schicken will, streike ich. Er hat höchstens die Hälfte meines Umfangs und passt gerade so durch das Loch.
Unsere nächste Station ist ein buddhistisches Kloster, was hoch oben am Berg liegt. Überall an den Felswänden sieht man kunstvolle Malereien, die auch der Anbetung dienen. Wir müssen auf dem Weg zum Kloster eine extrem wackelige Holzbrücke passieren, auf der höchstens 2 Personen gleichzeitig laufen dürfen. Danach steigen wir 152 Stufen zum Kloster hoch. Vor dem Betreten kommt noch der Gang ums Kloster im Uhrzeigersinn und dabei drehen wir die Gebetsmühlen. Auch alles streng im Uhrzeigersinn. Das Kloster ist innen sehr prachtvoll gestaltet und in einem unbeaufsichtigten Augenblick kann ich schnell ein Foto schießen.
Gleich “um die Ecke” erreichen wir unser Tagesziel. Es ist ein Ger-Camp, indem auch richtige Familien leben und sich mit der Übernachtung von Touristen ein wenig Geld verdienen. Als wir das Zelt betreten habe ich einen richtigen “Kulturschock”. Auf zwei von den drei Betten in dem Zelt schlafen zwei Männer, die sich auch von unserer Ankunft nur wenig aus der Ruhe bringen lassen. Dazu sind noch zwei Frauen im Zelt und ein kleiner Junge, 4 Jahre alt. Die Frauen hantieren mit den Milchtöpfen auf dem Herd der in der Mitte des Zeltes die zentrale Stellung einnimmt. Idres Sohn erklärt mir, dass das Zelt streng in Zonen nach den Himmelsrichtungen aufgeteilt ist: im Osten ist de Bereich für die Frauen mit alle den Küchenutensilien, im Sünden ist die Tür der Ger, im Westen haben die Männer ihr Reich mit all den Dingen für die Pferde und die Jagd und im Norden steht die Bank für wichtige Besucher und Gäste. Wir dürfen auf der Bank im Norden Platz nehmen.
Die Frau bietet uns Joghurt aus einem großen Eimer an. Der schmeckt sehr köstlich und scheint ganz frisch zu sein. Daneben bereitet sie auf eine kleinen Holzbrett Fleischbällchen vor, die sie dann in Teigtaschen einwickelt. Mir kommen Gedanken zu den hygienischen Vorschriften in deutschen Restaurants und der Hartz 4-Gesetzgebung. Die Leute hier haben fast nichts. Die Kleider einer Person passt in eine kleine Reisetasche oder einen kleinen Wäschekorb. Die Fleischbälle werden nun in einer verdünnten Milchbrühe gekocht. Immer wieder legt die Frau Feuerholz nach und es wird langsam unerträglich heiß in dem Zelt.
Auch unsere Führerin packt die Kocher aus und bereitet unser Essen zu. Sie kocht Reis und schneidet das mitgebrachte Gemüse klein. Alles wird in der Pfanne angebraten. Als alles fertig ist, essen wir zuerst die Fleischbällchen in den Teigtaschen. Die schmecken sehr gut. Dann bekommen noch alle aus der großen Pfanne. Mit dem Spülen wird es auch nicht so genau genommen. Die Männer lecken die Teller meist so sauber, dass sie direkt wieder zurück in den Küchenschrank gestellt werden.
Wir plaudern noch etwas und Idres Sohn ist dabei ein gute Übersetzungshilfe. Alle wollen ganz genau meine Tour erklärt bekommen. Dann zeigen sie mir meinen Schlafplatz. Mittlerweile ist es richtig kalt geworden. Wir heizen den Ofen in meinem Schlafzelt an, aber das bringt nur wenig. Draußen pfeift ein eiskalter Wind und der Herr des Hauses schaufelt Erde auf die Ränder des Zeltes um es winddichter zu machen. Nun verabschieden sich alle und ich bleibe allein im Zelt zurück. Zum Glück habe ich wenigstens den Reiseführer dabei und lese die ganzen Kapitel über die Geschichte Russlands und der Mongolei nach. Immer mal wieder geht für 2-3 Minuten der Strom weg und es ist stockdunkel im Zelt. Nachdem ich nochmal den Ofen nachgelegt habe und mich schön aufgewärmt habe, krieche ich in meinen Schlafsack und ziehe den Reißverschluss komplett zu. Ich fühle mich wie im tiefsten Winter. Vorher muss ich noch ein paar Spinnen und Grashüpfer davon überzeugen, dass ich lieber alleine in meinem Bett schlafen will.
Mit dem Aufstehen lasse ich mir Zeit. Ich war zwar schon früh wach auf der ungewohnt harten Liege, aber mir war klar, dass das Leben hier oben so seine Zeit braucht. Nicht geht schnell hier und Hektik ist ein absolutes Fremdwort. Alle kümmern sich nur um das Essen.
Gegen 09:30 gehe ich wieder ins Familienzelt und die Frauen machen gerade das Frühstück. Es gibt heiße Milch und Weißbrot. Dazu etwas Käse. Unsere Führerin macht noch Früchte mit Nüssen und Joghurt. Sie sagt mir, dass sie erst noch das Mittagessen für uns zubereiten muss und dass wir dann gegen 11:00 weiter fahren werden. Ich habe also etwas Zeit und schaue mich ein wenig in der nahen Umgebung um und mache bei dem strahlend blauen Himmel ein paar schöne Fotos. Die Männer sind nicht mehr da und ich bekomme auch nicht raus, was sie gerade unternehmen. Immer mal wieder kommt ein Nachbar auf dem Pferd angeritten und hält einen kleinen Plausch. Als unser Mittagessen fertig ist meint unserer Führerin, dass es vielleicht besser ist, wenn wir erst hier essen. Es ist erst 11:00 und ich habe nach dem Frühstück vor 1,5 Stunden noch gar keinen Hunger. Es gibt Spagetti mit Fleisch und Gemüse.
Schnell wird noch gespült und alles wieder verpackt. Dann machen wir uns auf zu einem ganz besonderen Monument. Vorher macht sich die Frau des Hauses schick, legt Lippenstift auf und schminkt sich die Augen. Sie nutzt die Gelegenheit und fährt mit uns Richtung Stadt.
An einer Straßengabelung lassen wir sie aus dem Auto und fahren weiter zu einem neuen Denkmal, was erst 2010 fertig gestellt wurde. Es ist mit 40 Metern Höhe die höchste Reiterstatue der Welt und zeigt natürlich Dschingis Khan. Hier soll einmal ein großer Freizeitpark entstehen. Die Statue steht genau im Zentrum. Im Sockel unter der Statue befindet sich ein sehr modernes und schönes Museum über die Mongolei. In der Eingangshalle steht ein übergroßer Schuh von Dschingis Khan, der aus 250 Kuhfellen genäht wurde.
Man kann über eine Treppe durch den hinteren Fuß des Pferdes auf eine kleine Aussichtsterrasse steigen, die sich an der Mähne des Pferdes befindet. Hier oben treffen ich eine Gruppe von Koreanern, die deutsch sprechen und aus Berlin kommen.
Das Terrain ist sehr weitläufig angelegt aber bis auf ein paar Zelte noch komplett leer. Ich bin sehr gespannt, wie das in 10 Jahren aussehen wird. Vor dem Eingangstor treffe ich noch auf einen Hirten, der Zigaretten von mir haben will. Leider konnte ich ihm nichts geben.
Langsam machen wir uns auf den Rückweg und kämpfen uns durch die Staus von Ulaanbaatar. Wir kommen an unzähligen Autogeschäften und Märkten vorbei. Die Leute reparieren hier die Autos fast ohne Werkzeug und immer wieder sieht man Leute große schwere Ersatzteile tragen. Besonders Achsen und Stoßdämpfer scheinen wohl sehr gefragt zu sein, was bei den Straßen hier kein Wunder ist.
Zurück in Idres Guesthouse erfahre ich, dass ich umziehen muss. Ich ziehe in ein Hotel direkt um die Ecke. Nun habe ich noch Zeit für einen kleinen Stadtbummel und kann ein paar Mitbringsel organisieren.
Ein gutes Abendessen im Hotel beendet meinen sehr erlebnisreichen Tag.
Stadtbesichtigung Ulaanbaatar
Pünktlich um 06:30 Uhr fahren wir in den Bahnhof von Ulaanbaatar ein. Schon aus dem Fenster erblicke ich meine Abholerin, die ein Schild mit meinem Namen trägt. Hier bin ich zu Gast bei Idre’s Guesthouse, einem Hostel, das ich im Internet gefunden hatte. Die Dresdner Studenten haben hier auch gewohnt und es sehr gelobt. Mit einem bezauberten Lächeln empfängt mich eine junge Frau und bringt mich zum bereit stehenden Wagen. Wir fahren nur 2-3 km und ich bin gleich positiv überrascht. Es gibt viele Mädchen, die hier Dienst tun und sich gleich emsig um Alles kümmern. Ich bekomme ein hübsches Einzelzimmer (leider in direkter Nachbarschaft zur allgemeinen Duschanlage) und die Mädchen machen Tee für das schon bereitstehende Frühstück. Hier mache ich die Bekanntschaft von vielen jungen Leuten, aus Kalifornien, Schottland, Irland, Frankreich und natürlich Deutschland. Alle sind irgendwie viel länger als ich unterwegs. Die meisten fahren erst dann wieder Richtung Heimat, wenn aus dem Geldautomat nichts mehr rauskommt. Erst werde ich ein wenig neidisch, aber für mich ist es besser einen festen Plan zu haben.
Ich ruhe mich noch ein wenig aus, da die Nacht im Zug doch extrem kurz war. Aber schon bald packt mich der Tatendrang und ich will mit der Kamera und dem Reiseführer bewaffnet die Stadt erobern. Schon auf den ersten 100 Metern fühle ich mich in einer total fremden Welt. Die Menschen sprechen als sei es ein Gemisch aus indianisch und chinesisch, alles mit extrem vielen Zischlauten. Zuerst laufe ich mal Richtung der Prachtstraße “Prospekt des Friedens”. Hier soll sich das Geschäftsleben in der Stadt abspielen. Gleichzeitig führt diese Straße auch zu dem zentralen Platz der Stadt. Auf dem Weg dorthin tausche ich in einer Bank etwas Geld um. Die Landeswährung heißt Tukruk (Mehrzahl Tukrik) und ich muss mich erst einmal an die großen Scheine gewöhnen (ein USD ca. 1300 Tugrik, ein Euro ca. 1650 Tugrik).
Irgendwie misstrauisch laufe ich durch die Stadt. Im Reiseführer wurde sehr vor Taschendieben gewarnt, Matthias aus Dresden hatte mir auch erzählt, dass in der Zeit, als er in Ulaanbaatar war, ein Mann aus einer Bank kommend verfolgt wurde und dann mit einem Messer in den Rücken gestochen wurde. Aber nichts von dem geschieht. Schon nach wenigen Metern erreiche ich den “Central Department Store”, das größte Kaufhaus. Von außen sieht das Gebäude sehr markant aus und drinnen fühlt man sich wie in Frankfurt, London oder Paris. Unten geht es los mit der Parfümabteilung und weiter nach oben kommen die unterschiedlichen Konfektionsabteilungen. Alles ist hoch edel und ich frage mich, wer hier von der einheimischen Bevölkerung einkaufen gehen kann. Ich sehe kaum Kunden und je höher ich gelange, umso leerer werden die Flächen. In der obersten Etage ist fast gar nichts mehr an Geschäfte vermietet und man steht in einer riesengroßen leeren Halle. Hier ist also noch viel Raum für Entwicklung.
Schnell verlasse ich den Shopping-Tempel wieder und teste gleich gegenüber ein nettes kleines Restaurant mit dem Namen “Berlinburger”. Wie ich richtig vermutet hatte ist es ein Schnellrestaurant, das aber gar nicht die typische Burger im Angebot hatte. Es werden eigentlich ganz normale Speisen, die ich mir auf einer Bildtafel und am Buffet anschauen kann, angeboten. Die Bestellung funktioniert problemlos mit dem Zeigefinger und die Kassiererin hilft mir mit den Geldscheinen, in dem sie sich aus dem riesigen Geldbündel, was ich in der Hand habe, die richtigen Scheine herauspickt. Münzen gibt es hier gar nicht. Als ich dann nachrechne habe ich für 2 EUR ein komplettes Mittagsmahl bekommen, bestehend aus Kartoffelbrei, Reis, Rindergeschnetzeltes und Krautsalat und dazu frisch gepressten Orangensaft.
Frisch gestärkt mache ich mich weiter auf den Weg in die Innenstadt. Der Verkehr ist chaotisch. Alles hupt und bewegt sich dabei nur Zentimeter nach vorne. Auf der großen Kreuzung von dem zentralen Platz der Stadt kämpft ein Polizist mit Pfeife und Handzeichen, um irgendwie Ordnung in den Verkehr zu bringen. Unter Einsatz meines Lebens versuche ich die Straßen zu überqueren. Es gibt kaum Fußgänger-Ampeln und selbst wenn die auf grün stehen, muss man sehr aufpassen um nicht überfahren zu werden. Aber vielleicht mache ich mir auch nur zu viele Gedanken. Die mongolischen Fußgänger stürzen sich auch mitten bei Rot auf die dicht befahrene mehrspurige Straße und kommen heil drüben an.
Um den Suchbataar-Platz, der nach dem kommunistischen Staatsgründer benannt ist, sind viele Sehenswürdigkeiten der Stadt gruppiert. Mitten auf dem Platz steht das neue Reiterdenkmal mit Dschingis Khan, dem Herrscher des mongolischen Weltreiches, das größte Reich, das je in der Geschichte der Menschheit existiert hat. Am hinteren Ende des Platzes befindet sich das beeindruckende Parlamentsgebäude. Gleich in der Nachbarschaft das Nationalmuseum für Geschichte der Mongolei, was ich auch gleich besichtige. Es gibt einen sehr guten Überblick über die Geschichte des Landes bis zur heutigen Zeit. Leider darf ich hier wieder keine Fotos machen.
Ich laufe noch weiter durch die Stadt und komme am Eisenbahnmuseum vorbei. Hier kann ich einige schöne Fotos von den Loks der vergangenen Zeiten machen und man erhält einen sehr guten Einblick in die Geschichte der mongolischen Eisenbahn, die sehr mit der Geschichte der Transsibirischen Eisenbahn verknüpft ist.
Müde erreiche ich das Guesthouse wieder und buche für die nächsten beiden Tage einen Ausflug in den nahe gelegenen Naturpark Terelji, der auch “Mongolische Schweiz” genannt wird. Dort werde ich auch in einem Ger (oder auch Jurte) genannten Zelt übernachten.
Voller Vorfreude auf die kommenden Tage beschließe ich den Abend ruhig, gehe in einem nahe gelegenen Restaurant noch kurz was Essen und schreibe noch ein paar Texte für meinen Blog.
Auf dem Weg in die Mongolei
Am Bahnhof steht Dambi. Der will sich noch das restliche Geld von mir geben lassen. Ich rechne im die Summe aus und wir verabschieden uns kühl.
Jetzt bin ich viel zu früh am Bahnhof und muss zwei Stunden warten. Aber das ist alle male besser als den Zug zu verpassen.
Heute verlasse ich den klassischen Weg der transsibirischen Eisenbahn und fahre über die transmongolische Strecke, die insgesamt bis nach Peking führt, bis zur Hauptstadt der Mongolei, Ulaanbaatar. Am Freitag werde ich aus der Mongolei wieder zurück nach Ulan-Ude kommen, um den Weg dann auf der klassischen Stracke wieder fortzusetzen.
Ich sitze in der Wartehalle und schaue auf die Anzeigetafel, aber das Gleis wird nicht angezeigt. Auch nicht für die Züge, die schon sehr bald abfahren. Irgendwie ist das Teil wohl defekt. In der großen Haupthalle entdecke ich dann einen Bildschirm und dort steht für meinen Zug in der Spalte die mit dem Buchstaben “L” überschrieben ist die Zahl 5. Ich kann mir das nicht richtig erklären, weil Bahnsteig auf Russisch mit “P” anfängt. Ich laufe dann über eine Treppe hoch und dann wieder runter zum Gleis 5. Weit und breit ist kein Zug zu sehen und auch keine Menschen, die auf den Zug warten. Dabei sollte der Zug schon lange eingetroffen sein. Leichte Panik befällt mich und ich laufe wieder zurück in die Halle. Dort steht immer noch die 5. In der Wartehalle sehe ich ein junges Backpacker Paar. Ich spreche sie an und ich habe Glück. Sie sind aus Slowenien und der Mann kann gut Russisch. In der Durchsage kam, dass der Zug verspätet ist und auf Gleis 1 abfährt, das direkt neben der Wartehalle liegt. Erleichtert warte ich die Ankunft des Zuges ab. Wir sind im gleichen Abteil und haben das gleiche Ziel: Ulaanbaatar in der Mongolei.
Die Eincheckprozedur habe ich ja nun schon zur Genüge beschrieben. Die Provodniza schickt mich zum Bett Nr. 21. Ich habe diesmal die sogenannte “Kupe”-Klasse gebucht, was 4 Bett-Abteil meint. Im Abteil ist ein junger Spanier, der aber schon nach kurzer Zeit zu seinen Freunden aus Spanien verschwindet und Paul, ein 61 Jahre alter, pensionierter Highschool-Lehrer aus Kalifornien. Nachdem er sich von seiner Frau getrennt hat, weil sie nach seiner Pensionierung nicht mit um die Welt reisen wollte, tourt er nun ein paar Monate durch Russland, Mongolei und China. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt und er ist ein sehr angenehmer Fahrgast.
Irgendwie verschwatzen wir uns und wir merken gar nicht, dass wir bereits den russischen Grenzbahnhof Nauschki erreichen. Ab dem Zeitpunkt sind für 3 Stunden die Toiletten zugesperrt und der Restaurantwagen wird abgehängt.
Sofort nach dem Stopp kommen die russischen Grenzbeamten in den Zug und sammeln unsere Pässe ein um sie mit ins Büro zu nehmen. Die Befragung erfolgt wirklich sehr freundlich und mit einem Lächeln im Gesicht. Irgendwie hatte ich das anders in Erinnerung. Danach kommen noch Zollbeamte, die das Abteil sorgfältig untersuchen. Wir scheinen aber nicht auffällig zu sein und so verabschieden sie sich bald auch wieder.
Nun heißt es warten, warten, warten. Die ganze Prozedur dauert 3 Stunden. Aber immerhin dürfen wir raus auf den Bahnsteig. Dort treffe ich zwei nette Schweizer Studentinnen und wir unterhalten uns prächtig. Sie kennen sogar die Gegend der Mörlialp.
Nach knapp 3 Stunden werden wir wieder in die Wagons zurück getrieben und uns werden die Pässe ausgehändigt. Alles klar, das wäre erst mal geschafft. Die Schaffnerin macht jetzt auch mal schnell für 15 Minuten die Toilette auf und es bildet sich sofort eine lange Schlange. Die Fahrt geht 30 Minuten weiter über die Grenze in die Mongolei. Hier ist auch ein hoher Zaun aufgebaut, wie an der Grenze zu Weißrussland. Wir erreichen den Grenzbahnhof Suchbaatar und die gleiche Prozedur beginnt von vorne. Nur brauchen die Mongolen die Hälfte der Zeit. Mittlerweile geht draußen ein heftiges Gewitter nieder und die Klimaverhältnisse im Abteil werden unerträglich, es ist heiß und schwül. Ich hole schnell bei der Provodniza zwei Bier und so lässt es sich einigermaßen aushalten. Es ist schon stockdunkel als wir endlich unsere Pässe zurück bekommen und die Fahrt weiter geht. Da wir morgen früh gegen 5 Uhr geweckt werden, macht Paul schnell das Licht aus und bei dem gleichmäßigen Rattern der Räder schlafe ich fest ein.