postheadericon Sonnenschein in Irkutsk

Die Sonne weckt mich. Endlich hat der Regen aufgehört. Ein strahlend blauer Himmel präsentiert sich über Sibirien und dem Baikalsee. Galina wartet schon mit den Frühstück und heute gibt es sogar noch zusätzlich Wurst und Käse. Sie versucht wieder Kommunikation auf Russisch und einige Worte sind mir klar, aber das meiste verstehe ich nicht. Ich frage sie nach den Abfahrtszeiten des Busses und über einen Schreibblock können wir uns perfekt verständigen. Sie will mir auch ein Taxi rufen. Als ich nach 30 Minuten fertig gepackt habe, kommt ihr Sohn Andrej und öffnet das elektrische Garagentor. Dann holt er sein Auto raus und sagt nur Taxi. Ja, der Tourismus blüht und diese Familie gehört sicherlich zu den Gewinnern der Entwicklung. Andrej bringt mich mit meinem schweren Rucksack wieder zur Anlegestelle und will “nur” 150 Rubel haben, immerhin 50 weniger als der Freund der Rezeptionistin an der Tourist Information.

Ein Toyota-Minibus steht schon bereit zur Abfahrt nach Irkutsk. Ich bin noch alleine und verstaue meinen Rucksack im Kofferraum. Der Fahrer sagt mir auf Russisch, dass das Gepäck 30 Rubel extra kostet und ich habe ihn gleich verstanden. Schon nach ein paar Minuten setzen wir uns in Bewegung, obwohl ich erst dachte, dass der Bus solange wartet, bis genügend Leute zusammen sind. Wir fahren die Küstenstraße entlang des Baikal-Sees und schon stehen Leute am Rande der Straße und wollen mitgenommen werden. Der Stopp dauert nur Sekunden, alles geht flott. Dann setzen wir unsere Fahrt auf der hügeligen Straße Richtung Irkutsk fort. Rechts und links nur Wald. Immer mal wieder ein kleines Dorf. Die Straßen erinnern mich sehr an Schweden. Sie gehen Kilometer geradeaus, dann eine Kurve und wieder endlos geradeaus. Der Fahrer fährt einen sehr aggressiven Stil, überholt riskant und fährt bei über 100 km/h auf einen Meter zum Vordermann auf. Mir ist mulmig, aber die anderen Fahrgäste bleiben cool. Wahrscheinlich wird auch er nach gefahrenen Kilometern bezahlt wie die Busfahrer in der Stadt.

Nach ca. 50 Minuten erreichen wir den Stadtrand von Irkutsk. Der Bus ist mittlerweile fast voll von Leuten, die wir auf der Stracke eingesammelt haben. Nun wird der Fahrer aufgefordert an den gewünschten Stellen anzuhalten. Ich bleibe aber bis zur Endhaltestelle sitzen. Nachdem wir das Menschengewühl am Markt in Irkutsk durchfahren haben, kommen wir am sogn. Avtowaksal, dem Busbahnhof, an. Sofort erkenne ich auf der rechten Seite das Dekabristen-Museum, was ich vor 2 Tagen besichtigt habe. Es liegt nicht weit von dem Delta-Hotel entfernt. Ich entscheide mich zu laufen und die Straße kommen mir gleich wieder bekannt vor. Auch das Büro des Notars finde ich wieder. An der nächsten Straßenecke sehe ich schon das Hotel.

Beim Betreten der Hotelhalle werde ich schon mit meinem Namen begrüßt. So etwas habe ich sonst nur in sehr teuren Hotels erlebt. Ich muss vor 3 Tagen einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Schnell bekomme ich wieder das gleiche Zimmer und kostenlosen Zugang zum Internet, damit ich meine Bilder ins Netz kopieren kann. Nach einer schönen Dusche mache ich mich auf den Weg um die Teile der Stadt zu erkundigen, die ich wegen dem Orgelkonzert nicht mehr besichtigen konnte. Als erstes komme ich auf den großen Samstagsmarkt. Hier wimmelt es nur so von Leuten und alles ist sehr eng. Zum ersten Male fühle ich so ein Gefühl wie “Beklemmung”. Die angebotenen Waren sind vollkommen uninteressant für mich. Die angebotenen Kleidungsstücke sehen aus, als kämen sie bei uns aus der Altkleidersammlung. Ansonsten gibt es nur Unmengen von Tomaten, Gurken, Kohl und Kartoffeln. Es stehen sehr viele alte Frauen auf dem Markt, die sich wohl mit selbst gezogenem Gemüse die Rente aufbessern.

Schnell befreie ich mich aus dem Gewühl und gehe auf die feine Karl-Marx-Straße. Hier findet man schicke Geschäfte und man weiss gar nicht, wie die Leute sich das hier leisten können. Pavel in Moskau hatte mir erzählt, dass sich viele Menschen hoch verschulden, um den Luxus, den sie in der Öffentlichkeit zeigen, auch bezahlen zu können.

Ich gehe auf die in jeder russischen Stadt vorhandenen Ulitsa Lenina (Leninstraße) entlang. Überall sieht man prachtvolle Verwaltungsbauten und Denkmäler in der Stadt. Ich komme an den Fluss Angara mit dem Zarendenkmal, das sich hoch über einem großen Platz erhebt. Hier fahren pausenlos die Brautautos vor, damit die Fotografen in dem angrenzenden Park die Brautpaare fotografieren können.

In einem Rundweg erreiche ich wieder mein Hotel. Da ich mich die letzten beiden Tagen wegen des Regens nur von Tütennahrung ernährt habe, bestelle ich ein feines Abendessen im Restaurant. Ich bin der einzige Gast und 3 Kellnerinnen sorgen sich um mein Wohlsein. Das Essen schmeckt vorzüglich nur das Dessert hat schon zu lange in der Kühlvitrine gestanden.

Da ich morgen früh schon um 5 Uhr raus muss um meinen Zug nach Ulan-Ude zu erreichen, packe ich schon alle Sachen und gehe früh ins Bett.

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1 Kommentar zu „Sonnenschein in Irkutsk“

  • Conny:

    Hallo aus Frankfurt
    Ihre Bilder führen doch sehr deutlich vor Augen wie sehr sich dieses riesige Reich in den letzten 30 Jahren verändert hat, unglaublich! Und alles macht einen so gepflegten Eindruck, gar nicht wie ich es von damals in Erinnerung habe. Und ich war bei weitem nicht so weit im Osten. Damals war das für uns eine völlig andere Welt aus einer weit zurück liegenden Zeit, mit verfallenden Bauten, armseligen Holzhütten und einer praktisch nicht existierenden Infrastruktur. Zwischen militärischer (uralter, fast bemitleidenswert lächerlicher) Hochglanzpräsenz überwiegend bitterarme, aber superfreundliche Zivilbevölkerung. Das scheint alles überwunden und man hat bei Ihren Bildern den Eindruuck, dass es dort gar nicht mehr soooo anders ist als bei uns – also das Abenteuer nicht mehr ganz so abenteuerlich ist.
    Gute Reise weiterhin und viele neue Eindrücke auch für uns.
    вплоть до (‘bis bald’ dank Leo)
    Herzliche Grüße
    Conny Schneider

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