Novosibirsk-Krasnojarsk
Um Viertel nach Vier, 15 Minuten später als geplant, ist der Fahrer immer noch nicht da. Ich bitte Elena, dass wir schon mal runter auf die Straße gehen. Unten warten wir weiter und weiter. Ich werde mittlerweile ziemlich nervös, weil mein Zug pünktlich um 17:06 abfahren wird. Auch ohne mich. Ich bitte Elena nochmal den Fahrer anzurufen aber Elena meint, ich sei sehr Deutsch. Alles muss bei den Deutschen so pünktlich und genau sein.
Gott-sei-Dank biegt das kleine Auto, das ich schon kenne, in die Straße ein. Leider bleibt nicht viel Zeit für lange Abschiedszeremonien. Wir werfen das Gepäck auf den Rücksitz und ab geht die Fahrt. Der Fahrer merkt jetzt auch, dass es knapp ist und überholt halsbrecherisch langsame Fahrzeuge und Busse. Ich sitze auf der linken Seite und schaue dem Gegenverkehr immer direkt ins Auge.
Bald erreichen wir den Bahnhof (20 Minuten vor der Abfahrt des Zuges) und überall stehen die Autos und suchen einen Parkplatz. Er hupt sich den Weg frei und dann ruft er dem Wachmann an der Schranke irgendein Wort mit “Express” zu und wir können umgehend die Schranke passieren. Schnell sattle ich meinen Rucksack auf und mit schnellen Schritten eilen wir zum Bahnsteig. Der Zug fährt auf Gleis 6 ab und ich muss nochmal von Gleis 4 die Treppe hoch zum Übergang zu den Bahnsteigen um dann die Treppe wieder runter zum Gleis 6 zu gelangen. Natürlich erreichen wir den schon bereit stehenden Zug bei Wagen 1 und wir müssen bis zum Wagen 9 im Dauerlauf laufen. Total außer Atem erreiche ich zusammen mit dem Fahrer den Provodnik (männlicher Schaffner) am Wagon 9. Mein Fahrer klärt die Details mit dem Provodnik und sagt mir, dass ich ins Abteil 2 gehen soll, danach verabschiedet er mich herzlich und wir umarmen uns russisch brüderlich (ohne Bruderkuss!). Ich kenne nicht mal seinen Namen.
Ich bin alleine im Abteil und trockne mir erst mal mit dem schon bereit liegenden Handtuch den Schweiß von der Stirne und trinke etwas aus meinem Getränkevorrat. Der Zug setzt sich wieder pünktlichst in Bewegung und schon bald kann ich keine Häuser mehr sehen. Ab und zu sieht man mal an der Strecke ein kleines Dorf mit einfachsten Holzhäusern, sonst nur Wald und Wiesen soweit das Auge reicht.
Wie schon im letzten Zug gehe ich abends in den Speisewagen. Die Kellnerinnen können kein Wort Englisch. Aber wenigstens ist die Speisekarte übersetzt. Ich bestelle wieder auf Russisch “Butterbrot” (das Wort ist wirklich russisch und meint Brot, aber ohne Butter) Wenn man Butter haben will muss man die noch extra bestellen. Ich nehme Wurst und Käse und dazu noch ein kleines Omelett mit Pilzen. Bisher habe ich nur gute Erfahrung mit den Speisen gemacht. Alles schmeckt sehr gut und Probleme mit dem Magen oder Darm habe ich auch keine. Ich frage auf Russisch nach einem “Pivo germania” (deutsches Bier, weil ich im letzten Zug ein Warsteiner bekommen habe) Die Kellnerin meint, sie hätte kein deutsches Bier, nur Warsteiner. Wenn die wüsste, wo Warsteiner herkommt.
Am Nebentisch sitzen drei Russen, die Unmengen verschiedene Sachen bestellen und essen. Einer holt noch schnell aus dem Abteil eine Flasche mit einer braunen, selbstgebrannten, alkoholischen Flüssigkeit. Den Schnaps trinken die drei unablässig neben dem Essen aus Schnapsgläsern und als ich fertig essen bin ist die Flasche fast leer.
Ich gehe wieder zurück ins Abteil und schreibe die Berichte der letzten Tage. Ich schaffe es gerade mit Hängen und Würgen am Ball zu bleiben. Das Übersetzen ins Englische für meine Kollegen in der Welt schaffe ich bisher überhaupt nicht. Aber bald wird der Zeitplan etwas ruhiger und ich hoffe bald an die Übersetzungen zu kommen.
Nachdem der Strom im Laptop zur Neige geht, kann ich mich dann auch hinlegen. Ich träume vor mich hin und schlafe irgendwann ein.
Hallo Herr Dernbach
Toll Ihre Berichte – und, dass wir so an Ihren Erlebnissen teilhaben können! Ich hoffe die viele Schreiberei artet nicht in ‘Blog-Stress’ aus, das wäre ein zu hoher Preis. Und ich meine ausIhren Berichten lesen zu können, dass Duschen für Sie eine ganz neue Bedeutung gewonnen hat .
Herzliche Grüße aus dem klimatisierten Frankfurt
Conny Schneider