postheadericon Nacht in der Jurte

Direkt nach dem Frühstück warten schon meine zwei Tour-Guides in der Lobby des Guesthouses. Es ist eine nette Dame und ein Junge. Voller Stolz erzählt mir Idre, der Besitzer des Guesthouse, dass dies sein 12 jähriger Sohn ist. Er soll lernen, wie man Touren führt. Die Namen der Beiden sind so unaussprechlich, dass ich erst gar nicht versuche sie mir zu merken.

Schon den ganzen Morgen hat es heftig geregnet. Der Regen macht eine kurze Pause als wir unendlich viele Kartons in den Kofferraum des PKW packen. Ein Fahrer wird uns in den Nationalpark Terelj bringen. Als alles verstaut ist, machen wir uns auf den Weg durch das Verkehrsgewühl der Stadt. Es regnet wieder mehr und die Wolken hängen sehr tief. Ich denke, dass ich wirklich extrem vom Pech verfolgt bin. Immer wenn ich einen Ausflug in die Natur mache schüttet es so.

Am Stadtrand an einer Tankstelle hält der Fahrer an. Ich habe gar nicht gemerkt, dass wir einen Platten haben. Er probiert es erst mit Luft aufpumpen, aber das hilft hier nicht mehr. Der Reifen muss gewechselt werden. Er hat wohl kein Ersatzrad und so machen sich er und ein Mechaniker an die Arbeit den Reifen per Hand von der Felge zu wechseln. Alles geht erstaunlich schnell und bald können wir unsere Fahrt weiterführen. Der Regen ist so stark, dass die Scheibenwischen kaum für klare Sicht sorgen können. Dazu weht ein heftiger Wind, der den Regen quer über die Straße peitscht. Aber am Horizont entdecke ich mit meinem geübten Auge ein kleines Wolkenloch. Innerhalb von Minuten reißt der graue Himmel auf und das herrliche Blau kommt hervor.

Bald machen wir einen Stopp an einem Anbetungshügel. Idres Sohn erklärt mir, dass ich drei Steine nehmen muss, den Hügel betend dreimal umrunden soll und nach jeder Runde einen Stein auf den Hügel werfen soll. Bei dem Haufen haben schon viele hier ihre Gebete verrichtet.

Wir fahren weiter zu einer Höhle in einem beeindruckenden Granitfelsen. Hier sollen 120 Mönche gelebt haben. Als wir in die Höhle einsteigen, denke ich so, dass da verdammt wenig Platz für den Einzelnen gewesen sein muss.

Langsam erreichen wir den Nationalpark und müssen an einer modernen Schranke Maut bezahlen. Wir passieren malerische Flusstäler und die Gegend sieht immer mehr aus, als wären wir mitten in der Schweiz. Deswegen wird dieses Gebiet auch “Mongolische Schweiz” genannt. Immer wenn wir an den Auffahrten zu den Brücken wegen der großen Unebenheiten sehr langsam fahren müssen, haben sich am Straßenrand strategisch günstig Frauen positioniert, die in Gläsern wilde Beeren verkaufen. Da wir den kompletten Proviant für die kommenden zwei Tage dabei haben, machen sie leider kein Geschäft.

Wir kommen nun zu einem sehr berühmten Felsen, der in nahezu jedem Reiseführer erwähnt ist: Turtle Rock. Das ist ein Felsen, der wie ein Schildkröte aussieht. Auch ihn besteigen wir und Idres Sohn klettert voran und spornt mich an, die waghalsigen Klettereien mit ihm zu machen. Als er mich durch eine enge Felsspalte schicken will, streike ich. Er hat höchstens die Hälfte meines Umfangs und passt gerade so durch das Loch.

Unsere nächste Station ist ein buddhistisches Kloster, was hoch oben am Berg liegt. Überall an den Felswänden sieht man kunstvolle Malereien, die auch der Anbetung dienen. Wir müssen auf dem Weg zum Kloster eine extrem wackelige Holzbrücke passieren, auf der höchstens 2 Personen gleichzeitig laufen dürfen. Danach steigen wir 152 Stufen zum Kloster hoch. Vor dem Betreten kommt noch der Gang ums Kloster im Uhrzeigersinn und dabei drehen wir die Gebetsmühlen. Auch alles streng im Uhrzeigersinn. Das Kloster ist innen sehr prachtvoll gestaltet und in einem unbeaufsichtigten Augenblick kann ich schnell ein Foto schießen.

Gleich “um die Ecke” erreichen wir unser Tagesziel. Es ist ein Ger-Camp, indem auch richtige Familien leben und sich mit der Übernachtung von Touristen ein wenig Geld verdienen. Als wir das Zelt betreten habe ich einen richtigen “Kulturschock”. Auf zwei von den drei Betten in dem Zelt schlafen zwei Männer, die sich auch von unserer Ankunft nur wenig aus der Ruhe bringen lassen. Dazu sind noch zwei Frauen im Zelt und ein kleiner Junge, 4 Jahre alt. Die Frauen hantieren mit den Milchtöpfen auf dem Herd der in der Mitte des Zeltes die zentrale Stellung einnimmt. Idres Sohn erklärt mir, dass das Zelt streng in Zonen nach den Himmelsrichtungen aufgeteilt ist: im Osten ist de Bereich für die Frauen mit alle den Küchenutensilien, im Sünden ist die Tür der Ger, im Westen haben die Männer ihr Reich mit all den Dingen für die Pferde und die Jagd und im Norden steht die Bank für wichtige Besucher und Gäste. Wir dürfen auf der Bank im Norden Platz nehmen.

Die Frau bietet uns Joghurt aus einem großen Eimer an. Der schmeckt sehr köstlich und scheint ganz frisch zu sein. Daneben bereitet sie auf eine kleinen Holzbrett Fleischbällchen vor, die sie dann in Teigtaschen einwickelt. Mir kommen Gedanken zu den hygienischen Vorschriften in deutschen Restaurants und der Hartz 4-Gesetzgebung. Die Leute hier haben fast nichts. Die Kleider einer Person passt in eine kleine Reisetasche oder einen kleinen Wäschekorb. Die Fleischbälle werden nun in einer verdünnten Milchbrühe gekocht. Immer wieder legt die Frau Feuerholz nach und es wird langsam unerträglich heiß in dem Zelt.

Auch unsere Führerin packt die Kocher aus und bereitet unser Essen zu. Sie kocht Reis und schneidet das mitgebrachte Gemüse klein. Alles wird in der Pfanne angebraten. Als alles fertig ist, essen wir zuerst die Fleischbällchen in den Teigtaschen. Die schmecken sehr gut. Dann bekommen noch alle aus der großen Pfanne. Mit dem Spülen wird es auch nicht so genau genommen. Die Männer lecken die Teller meist so sauber, dass sie direkt wieder zurück in den Küchenschrank gestellt werden.

Wir plaudern noch etwas und Idres Sohn ist dabei ein gute Übersetzungshilfe. Alle wollen ganz genau meine Tour erklärt bekommen. Dann zeigen sie mir meinen Schlafplatz. Mittlerweile ist es richtig kalt geworden. Wir heizen den Ofen in meinem Schlafzelt an, aber das bringt nur wenig. Draußen pfeift ein eiskalter Wind und der Herr des Hauses schaufelt Erde auf die Ränder des Zeltes um es winddichter zu machen. Nun verabschieden sich alle und ich bleibe allein im Zelt zurück. Zum Glück habe ich wenigstens den Reiseführer dabei und lese die ganzen Kapitel über die Geschichte Russlands und der Mongolei nach. Immer mal wieder geht für 2-3 Minuten der Strom weg und es ist stockdunkel im Zelt. Nachdem ich nochmal den Ofen nachgelegt habe und mich schön aufgewärmt habe, krieche ich in meinen Schlafsack und ziehe den Reißverschluss komplett zu. Ich fühle mich wie im tiefsten Winter. Vorher muss ich noch ein paar Spinnen und Grashüpfer davon überzeugen, dass ich lieber alleine in meinem Bett schlafen will.

Mit dem Aufstehen lasse ich mir Zeit. Ich war zwar schon früh wach auf der ungewohnt harten Liege, aber mir war klar, dass das Leben hier oben so seine Zeit braucht. Nicht geht schnell hier und Hektik ist ein absolutes Fremdwort. Alle kümmern sich nur um das Essen.

Gegen 09:30 gehe ich wieder ins Familienzelt und die Frauen machen gerade das Frühstück. Es gibt heiße Milch und Weißbrot. Dazu etwas Käse. Unsere Führerin macht noch Früchte mit Nüssen und Joghurt. Sie sagt mir, dass sie erst noch das Mittagessen für uns zubereiten muss und dass wir dann gegen 11:00 weiter fahren werden. Ich habe also etwas Zeit und schaue mich ein wenig in der nahen Umgebung um und mache bei dem strahlend blauen Himmel ein paar schöne Fotos. Die Männer sind nicht mehr da und ich bekomme auch nicht raus, was sie gerade unternehmen. Immer mal wieder kommt ein Nachbar auf dem Pferd angeritten und hält einen kleinen Plausch. Als unser Mittagessen fertig ist meint unserer Führerin, dass es vielleicht besser ist, wenn wir erst hier essen. Es ist erst 11:00 und ich habe nach dem Frühstück vor 1,5 Stunden noch gar keinen Hunger. Es gibt Spagetti mit Fleisch und Gemüse.

Schnell wird noch gespült und alles wieder verpackt. Dann machen wir uns auf zu einem ganz besonderen Monument. Vorher macht sich die Frau des Hauses schick, legt Lippenstift auf und schminkt sich die Augen. Sie nutzt die Gelegenheit und fährt mit uns Richtung Stadt.

An einer Straßengabelung lassen wir sie aus dem Auto und fahren weiter zu einem neuen Denkmal, was erst 2010 fertig gestellt wurde. Es ist mit 40 Metern Höhe die höchste Reiterstatue der Welt und zeigt natürlich Dschingis Khan. Hier soll einmal ein großer Freizeitpark entstehen. Die Statue steht genau im Zentrum. Im Sockel unter der Statue befindet sich ein sehr modernes und schönes Museum über die Mongolei. In der Eingangshalle steht ein übergroßer Schuh von Dschingis Khan, der aus 250 Kuhfellen genäht wurde.

Man kann über eine Treppe durch den hinteren Fuß des Pferdes auf eine kleine Aussichtsterrasse steigen, die sich an der Mähne des Pferdes befindet. Hier oben treffen ich eine Gruppe von Koreanern, die deutsch sprechen und aus Berlin kommen.

Das Terrain ist sehr weitläufig angelegt aber bis auf ein paar Zelte noch komplett leer. Ich bin sehr gespannt, wie das in 10 Jahren aussehen wird. Vor dem Eingangstor treffe ich noch auf einen Hirten, der Zigaretten von mir haben will. Leider konnte ich ihm nichts geben.

Langsam machen wir uns auf den Rückweg und kämpfen uns durch die Staus von Ulaanbaatar. Wir kommen an unzähligen Autogeschäften und Märkten vorbei. Die Leute reparieren hier die Autos fast ohne Werkzeug und immer wieder sieht man Leute große schwere Ersatzteile tragen. Besonders Achsen und Stoßdämpfer scheinen wohl sehr gefragt zu sein, was bei den Straßen hier kein Wunder ist.

Zurück in Idres Guesthouse erfahre ich, dass ich umziehen muss. Ich ziehe in ein Hotel direkt um die Ecke. Nun habe ich noch Zeit für einen kleinen Stadtbummel und kann ein paar Mitbringsel organisieren.

Ein gutes Abendessen im Hotel beendet meinen sehr erlebnisreichen Tag.

 

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