Regen am Baikalsee
Zurück im Zimmer nutze ich schnell noch die schnelle Internetverbindung des Hotels um die Bilder von meinem Stadtrundgang gestern ins Netz zu laden. Für das Verfassen der Texte habe ich jetzt keine Zeit mehr, denn ich muss noch meinen Rucksack packen.
Heute fahre ich mit dem Boot von Irkutsk über den angestauten Fluss Angara hinauf zum Baikalsee. Diesen Tipp habe ich von den beiden Studenten aus Dresden bekommen, die ich bei Elena in Novosibirsk getroffen habe. Das Boot heißt “RAKETA” und soll wirklich wie eine Rakete abgehen. Es ist ein sogn. Hydrofoil-Boot, was auf unter dem Kiel angebrachten Flügeln bei entsprechender Fahrt auf der Wasseroberfläche gleitet. Der Baikalsee ist riesig und 20 Prozent des gesamten Süßwasservorrates der Erde sind hier zu finden. Er hat mehr Wasser als die fünf großen Seen in Amerika/Kanada zusammen. Das liegt daran, dass er so unendlich tief ist, fast 1700 Meter. Außerdem wird er jedes Jahr zwei Zentimeter breiter und die Wissenschaftler gehen davon aus, dass hier ein neuer Ozean entstehen wird. In dem See leben im nördlichen Teil 60.000 Baikal-Robben, die ihren Artgenossen aus dem Meer sehr ähnlich sind, nur kann sich bis heute kein Wissenschaftler erklären, wie sie da hin gekommen sind und in dem Süßwasser leben können. Das Wasser soll sehr klar sein, bis zu 40 Meter soll man von der Oberfläche aus in die Tiefe schauen können. Ab Ende Oktober friert der See zu. Bei Eisstärken über einem Meter kann man mit dem Auto über den See fahren.
Mit dem Taxi erreiche ich die Bootsanlegestelle der “RAKETA”. Das Taxi ist äußerst günstig. Taxameter gibt es hier generell nicht. Der Taxifahrer hatte am Hotel den Kilometerzähler auf 0 gestellt um dann am Ziel den Fahrpreis korrekt ausrechnen zu können. Schnell finde ich das Kassenhäuschen und kaufe ein einfaches Ticket nach Listvjanka, ein kleines Dorf am Baikalsee. Dort hatte ich über “Helen’s Homestay” das “Family Hotel Dauria” gebucht. Es soll nicht direkt am See liegen, aber mitten in der Gemeinde in dem interessanten Tal mit all den dort vorhandenen Sehenswürdigkeiten.
Ich muss nur eine halbe Stunde warten bis das Boot anlegt. Sofort setzen sich alle wartenden Passagiere in Bewegung und gehen zum Boot. Draußen ist es windig und kalt. Auf dem aufgestauten Fluss kräuseln sich die Wellen. Um mich rum sind jede Menge “Backpacker”, aber fast alles Russen. Durch den engen Eingang steige ich ins Boot und mein nummerierter Platz ist gleich neben der Türe. Es gibt kaum Platz für die Gepäckablage, aber mit viel Palaver wird alles irgendwie verstaut. Und schon geht die Fahrt los. Das Boot erinnert mich schon auf den ersten Metern an das ferngesteuerte Rennboot was ich mal zusammen mit meinem Sohn vor langer Zeit gebaut habe. In einem irren Tempo setzt es rückwärts aus dem Hafen um dann erst richtig schnell nach vorne loszubrausen. Man merkt wie sich das Boot aus dem Wasser hebt und nun beginnt der Höllenritt auf der durch Wellen unebenen Wasseroberfläche. Es fühlt sich an, als würden wir mit 100 Sachen über einen unebenen Feldweg fahren.
Nach einer Stunde erreiche ich Listvjanka. Ich muss schnell meinen Rucksack aufsetzen um nicht den Ausstieg zu verpassen. Die meisten Passagiere fahren wohl noch weiter nach Norden den See hinauf. Am Pier muss ich mich erst einmal orientieren. Weit und breit kann ich kein Taxi erkennen, nur Minibusse warten auf Passagiere. Plötzlich sehe ich die Touristeninformation und ein Schild, dass sie Englisch sprechen können. Die junge Frau an der Rezeption ist sehr hilfreich und will mir ein Taxi rufen. Mein Ziel ist nur ca. 2 Kilometer entfernt. Schon nach einer Minute ist der “Taxifahrer” da, ich denke es ist ihr Freund mit seinem Privatauto, der die Touristen in die umliegenden Hotels fährt. Es soll 200 Rubel (5 EUR) kosten, ein stolzer Preis im Vergleich zur über 10 km langen Fahrt zur RAKETA, wo ich nur 180 Rubel bezahlt habe. Im Kofferraum des “Taxis” liegt eine Plastiktüte mit ca. 20 tote n Fischen, die der Fahrer mit einem anderen Mann aufteilt. Es ist der Omul-Fisch, ein lachsartiger Fisch, ca. 25-35 cm lang, der hier im See gefangen wird und auf verschiedenste Arten zubereitet wird. Getrocknet wird er als Delikatesse angeboten. Mein Kollege in Moskau hat mich bereits vorgewarnt, ich soll ja nicht den getrockneten Fisch essen, da könnten Würmer drin sein, die zu ernsthaften gesundheitlichen Gefahren werden könnten.
Wir fahren die Straße am See entlang und nach kurzer Zeit biegt er nach rechts in das Dorf hinein. Nach wenigen hundert Metern erreichen wir das Ziel und auf dem Schild des Hauses kann ich lesen, dass wir richtig sind. Er klingelt noch an dem großen eisernen Tor und schon kommt die nette Hotelbesitzerin, die mich gleich beim Namen nennt. Sie hat mich wohl schon früher erwartet. Sie zeigt mir das “Luxe”-Zimmer. Es ist ein Zwei-Bett Zimmer. Sie haben hier auch noch Schlafräume für bis zu 8 Personen. Es ist einfach aber nett gestaltet, hat eine separate Toilette und eine kleine Kochecke mit Wasserkocher für den Tee.
Draußen regnet es mittlerweile stärker und ich beschließe, erst einmal ein paar Texte zu schreiben. Schon bald fallen mir die Augen zu und ich mache erst mal ein kleines Mittagsschläfchen. Als ich wieder aufwache, gießt es in Strömen. Der Himmel ist grau in grau verhangen und ich sehe keine Hoffnung für diesen Tag mehr, dass das Wetter besser werden wird. Ein Check der Wettervorhersage bestätigt dies, leider ist auch für die kommenden beiden Tage das Wetter mit schwerem Regen vorhergesagt.
Ich bleibe im Zimmer und lese und höre Musik. Heute Abend werde ich zum ersten Male auf meine “Globetrotter” Notessensrationen zurückgreifen. Das sind Aluminiumbeutel, in dem sich in getrocknetem Zustand jeweils eine köstliche Mahlzeit befindet. Man muss nur 300 ml kochen heißes Wasser aufgießen und nach 10 Minuten hat man die fertige Mahlzeit. Ich entscheide mich für “Chili-con-Carne”. Mit dem vorhanden Wasserkocher ist das Wasser schnell zubereitet und der Rest ist wirklich einfach. Der Geschmack ist auch ganz OK wenn man nichts besseres hat. Aber die russische Küche hat mich in den letzten Tagen doch zu sehr verwöhnt.
Schnell wird es draußen dunkel und der Regen hämmert immer noch unablässig auf die Vordächer aus Aluminium. Ich beschließe den Tag ganz gemütlich mit Schreiben und Lesen. Heute habe ich sogar den ersten Artikel für meine englisch sprechenden Kollegen übersetzt.