Archiv für die Kategorie „Sachalin“
Warten auf die Fähre
Ich recherchiere im Internet die weiteren Stationen meiner Reise. Bisher hatte ich mich touristisch nur auf Russland vorbereitet. Um die ganzen Informationen zu Japan hatte ich mich bisher gar nicht gekümmert. Nun muss ich Zugpläne finden, überlegen, wo und wie ich dort übernachte etc. Aber Dank Google ist das heute alles kein Problem und so werde ich schnell fündig. Ich dachte gar nicht, dass ich noch so lange Strecken in Japan mit der Bahn fahren muss. Aber zum Glück habe ich ja den Japan Rail Pass, mit dem ich zum Pauschalpreis alle Züge in Japan benutzen kann.
Polina hat mir den Tipp gegeben, doch mal das Heimatmuseum anzuschauen. Es ist in einem ehemaligen japanischen Verwaltungsgebäude untergebracht. Draußen scheint die Sonne und es ist für die Gegend hier ungewöhnlich warm. Das Wandern durch die Sonne bringt mich schon wieder schnell zum Schwitzen und über die Mittagszeit sind die Schatten wirklich rar. Aber dank der guten Wegbeschreibung finde ich schnell das Museum. Es ist sehr beschaulich aber hoch interessant. Sachalin hat eine sehr wechselvolle Geschichte hinter sich. Mal besetzten die Japaner die Insel und benutzten sie als Strafgefangenen-Kolonie für koreanische Gefangene, mal teilten sich Russland und Japan die Verwaltung. Die Grenze war damals der 50. Breitengrad, der die Insel in einen Nord- und Südteil trennte. Seit 1945 haben die Russen die Insel komplett erobert und zu ihrem Territorium erklärt.
Das Museum zeigt auch viele Details zur großartigen Natur der Insel, Fauna und Flora sind sehr beeindruckend dargestellt, incl. zwei ausgestopfter Bären in Lebensgröße. Denen möchte ich in der Natur nicht begegnen.
Ich laufe noch ein wenig in der Gegend rum und entdecke einen Außenpark für stillgelegte Kriegsmaschinerie, Flugzeuge, Panzer und Geschütze. Wahrscheinlich gehört der Teil auch zu dem Heimatmuseum.
Danach mache ich mich zu Fuß wieder in die Innenstadt rund um den Hauptbahnhof und beobachte das Treiben in der Stadt. Überall laufen die Frauen noch in ihren hochhackigen Schuhen rum, genauso wie in Moskau, obwohl wir hier fast 12000 km von Moskau entfernt sind.
Zurück in der Wohnung ruhe ich mich erst einmal ein wenig aus. Polina muss heute lange arbeiten und wird erst gegen 19:00 wieder von der Arbeit zurück kommen. Danach wollen wir Essen gehen. Sie erscheint pünktlich und wir machen uns sofort auf den Weg. Unterwegs treffen wir noch ihren Kollegen, der auch gerade von dem nahe gelegenen Büro nach Hause geht. Dort warten noch zwei Franzosen auf ihn, die ihn auch über Couchsurfing gefunden haben. Die Franzosen sind auf dem Weg von Japan nach Moskau, also auf dem genau entgegen gesetzten Weg wie ich. Das verspricht interessant zu werden. Auf dem Weg zum Restaurant zeigt mir Polina noch ihr Bürogebäude. Es ist das schöne Office-Gebäude, von dem ich dachte, es sei ein russisches Verwaltungsgebäude.
Wir gehen in ein kanadisches Restaurant. Es hat aber eine normale Speisekarte und auch russisches Personal. Der Abend ist extrem spannend. Jeder erzählt von seinen Erlebnissen in der fernen Welt. Und alle sind bereits sehr weit rumgekommen in ihrem Leben. Auch die Freundschaft unter den Nationen ist sehr schön zu erleben.
Müde und glücklich gehen wir den kurzen Weg zur Wohnung. Ich muss jetzt noch alles packen, denn morgen früh um 06:00 muss ich mich auf den Weg zur Fähre machen.
Ausflug nach Korsakov
Da Polina, meine Gastgeberin hier auf Sachalin, noch den ganzen Tag arbeiten muss, lasse ich mir Zeit. In aller Ruhe gehe ich Frühstücken in dem schicken italienischen Restaurant des Hotels. Danach packe ich in Ruhe meine Sachen und verstaue sie im Gepäckraum des Hotels. Hier können sie den Tag über bleiben und ich kann unbeschwert meine Ausflüge machen.
Erst einmal steht der Ticketkauf für die Fähre nach Japan auf dem Programm. Das Ticket hatte ich schon per Internet vorbestellt, nun muss ich mir aber noch den Original “Boarding Pass” im Reisebüro Bitomo abholen. Dank meiner Recherche von gestern finde ich das Büro auch schnell wieder und eine kleine freundliche Japanerin stellt mir das Ticket aus. Ich erhalte dabei auch einen Umschlag mit einem Bild der Fähre, ein unschlagbarer Vorteil, wie sich später herausstellen wird. Ich frage die Kleine noch nach der Straße der Wohnung meiner Gastgeberin. Sie druckt mir schnell einen Ausschnitt des Stadtplans aus. Allerdings findet sie nicht die angegebene Hausnummer 14. Nach dem Stadtplan existiert das Gebäude mit der Nr. 14 gar nicht. Da sich die Straße ganz in der Nähe befindet, beschließe ich jetzt unbelastet ohne Gepäck die Adresse zu suchen. Ich laufe den langen Prospect Mira entlang und sehe bald schon einige Hochhäuser, die als Adresse in Frage kommen können. Erst verlaufe ich mich und lande bei Hausnummer 24, dann war es aber eine Sache von Minuten und ich stehe vor dem Haus mit der Nr. 14. Es existiert also doch und ist ein recht modernes neues Hochhaus. Das lässt auf eine schöne Wohnung hoffen.
Paulina will ab 18:30 in der Wohnung sein und ich habe jetzt noch 6 Stunden Zeit. Da am Mittwochmorgen die Fähre von Korsakov schon sehr früh abfahren wird, beschließe ich einen kurzen Erkundungstrip nach Korsakov. Auch dies stellt sich später als sehr angebracht heraus. Für 100 Rubel (2,50 EUR) fahre ich in einem japanischen Minibus nach Korsakov. Schnell verlassen wir die Stadt und dann geht es über Hügelketten zum südlichen Hafen der Insel Sachalin. Dieser Industriehafen wird zweimal in der Woche von einer Fähre nach Japan bedient, die mich dann nach Wakkanai bringen soll. Unterwegs werden wir von einem Audi Q5 überholt. Das ist wirklich ein besonderes Ereignis, denn hier sieht man ausschließlich japanische Autos. Deutsche Autos existieren hier nicht. Schon bald taucht der Pazifik wieder am Horizont auf und schon bald danach erreichen wir das kleine Städtchen Korsakov. Es ist wirklich nicht sehr malerisch hier, es ist eher von dem grau-in-grau der Industrieanlagen geprägt. Nach mehreren Stopps in der Stadt erreichen wir den Endpunkt des Minibusses und nun muss auch ich aussteigen. Hier befindet sich ein kleiner lokaler Markt, wo russische Frauen ihr Gemüse verkaufen. Ich sehe zwar Hafenanlagen, aber von einem Schild zu meiner Fähre ist weit und breit nichts zu erkennen. Ich laufe in die einzelnen Höfe rein und schaue mich verzweifelt um. Nichts, aber auch gar nichts deutet darauf hin, dass hier eine Fähre nach Japan abfahren wird. Gut, dass mir das nicht am Mittwochmorgen passiert, ich hätte bestimmt Panik bekommen. Ich gehe zu einem bewachten Firmentor und frage die Wachfrau. Gott-sei-Dank habe ich das Foto der Fähre dabei. Sie schüttelt nur den Kopf, aber dann kommt ein Mann zur Hilfe. Er kennt die Fähre und schickt mich eine Straße entlang. Ich frage, ob es wohl 100 Meter seien und er antwortet, dass es wohl so 200 Meter seien. Soviel russisch kann ich nun schon. Ich laufe die 200 Meter an einer grauen Betonmauer entlang und komme dann zu einer Einfahrt. Einige LKW stehen davor und warten. Ich schaue mich wieder nach eine Schild um, nichts, rein gar nichts. Zwei Bauarbeiter in orangen Westen sprechen mich an. Auch denen zeige ich das Bild der Fähre und einer der Männer nickt mit dem Kopf und schickt mich zu einem kleinen Häuschen. Hier zeige ich wieder das Bild aber die Frau schaut mich etwas ungläubig an. Sie sagt, dass die Fähre hier abfährt aber ich meine zu erkennen, dass sie wegen des Datum verwirrt ist. Die Fähre fährt ja erst in 2 Tagen ab.
Ich bin erleichtert das Abfahrtsterminal gefunden zu haben. Nun laufe ich noch etwas durch Korsakov und lande im Café “Pinguin”. Das war sogar im Internet als gut empfohlen worden. Ich bestelle ein Bier und bekomme auch die Menükarte, die ich lange studiere. Alles nur russisch. Ich entdecke einen Krabbensalat mit Mayonnaise. Erst habe ich gewisse hygienische Bedenken, aber hier an der See kommt der Fisch ja täglich frisch, so hoffe ich.
Der Salat kommt und sieht sogar ganz ansprechend aus. Dazu ordere ich sogar noch ein Stück Brot nach. Das Mahl schmeckt vorzüglich und ich denke, manchmal muss man auch mal ein kleines Risiko eingehen.
Langsam wird es Zeit für die Rückfahrt. Die Minibusse stehen schon bereit und fahren ab, sobald genügend Passagiere im Auto vorhanden sind. Als letzter Passagier darf ich sogar auf dem Vordersitz Platz nehmen. Der Fahrer unterhält sich nett mit mir. Er hat eine Schwester, die in Frankfurt wohnt. Unterwegs mache ich ein paar Fotos und der Fahrer verlangsamt wegen mir seine Fahrt, damit ich für die Schnappschüsse genügend Zeit habe. Unterwegs sehen wir noch mitten auf der Straße einen umgestürzten Lastwagen, der nun mühsam mit einem Schaufelbagger entladen werden muss. Am Hauptbahnhof verabschiedet sich der Fahrer herzlich von mir.
Mit dem Bus 63 fahre ich zurück ins Hotel um meine Sachen zu holen. Es ist mittlerweile unendlich schwül geworden. Schnell schnalle ich meinen Rucksack um und fahre mit dem gleichen Bus wieder zurück in die Stadt. Die Schaffnerin will diesmal den doppelten Fahrpreis haben, weil ich einen so großen Rucksack dabei habe. Als ich aus dem Bus steige bekomme ich eine SMS von Polina. Sie fragt mich, wann ich denn ankomme. Ich antworte ihr schnell und sie kommt gleich runter vor das Haus und begrüßt mich herzlich. Sie ist extra von der Arbeit heimgekommen und muss auch gleich wieder weg zurück zur Arbeit, da sie noch ein wichtiges Meeting hat. Sie kocht mir noch einen Tee und nach 10 Minuten ist sie wieder verschwunden.
Nach 2 Stunden kehrt sie geschafft zurück. Zum Abendessen macht sie einen herrlichen Meeresfrüchtesalat mit Gemüse und Reis. Alles schmeckt sehr gut und wir unterhalten uns über ihre interessante Arbeit. Sie ist Korrosionsexpertin und bei einer Ölfirma (Exxon) angestellt. Sie untersucht die Ursachen und Vermeidung von Korrosionen in Pipelines und fliegt auch sehr oft auf die Ölplattformen draußen im Meer. Eigentlich will sie ja nicht auf Sachalin wohnen, weil das Wetter hier immer so schlecht ist, aber der Job ist wohl so gut bezahlt, dass sie erst mal ein paar Jahre bleiben will. Auch interessiert sie sich sehr für Deutschland, von Wirtschaft über Politik bis zu den Familienverhältnissen.
Wir haben einen schönen Abend. Sie überlässt mir ein Zimmer mit einem großen Bett. Sie selbst schläft auf der Couch im Wohnzimmer. Was für eine Gastfreundschaft, die ich hier zu meinem Abschluss in Russland erfahre. Um 22:00 will sie schlafen gehen, weil sie morgen früh raus muss. Ich verabschiede mich von ihr und ziehe mich in mein Zimmer zurück.