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Italienischer Luxus auf Sachalin
Sergej hatte mir schon am Vorabend erzählt, dass die Überfahrt “nur” so rund 14 Stunden dauern würde. Da wir um 14:00 abgefahren sind, würden wir also gegen 4:00 Uhr ankommen. Ich habe also schon alles vor dem Schlafen gehen fertig gepackt, um auch sofort starten zu können, wenn wir den Hafen erreichen. Um 3:20 klopft es an meine Kabine und das Klopfen hört erst auf, als ich die Türe öffne. Man will wohl sicher sein, dass der Gast auch wirklich wach ist. Ich habe nicht viel geschlafen und bin entsprechend zerknirscht. Ich schaue aus dem Fenster meiner Kajüte und kann schon die Lichter der Hafenstadt Kholmsk auf der Insel Sachalin sehen. Aber es dauert dann doch eine ganze Weile bis wir in den Hafen einlaufen. Vor der Hafenmauer dreht der Kapitän das Schiff um 180 Grad und fährt dann rückwärts an die Kaimauer. Die Leute machen noch keine Anstalten von Bord zu gehen und ich bleibe ruhig, denn ich habe keine Lust unten in dem stickigen Schiffbauch mit dem schweren Rucksack zu stehen. Dann kommt eine freundliche Dame und schmeißt mich aus der Kabine, denn sie will putzen. Ich quäle mich durch die engen und niedrigen Gänge des Schiffes. Wenn ich aufrecht gehe, stoße ich oben mit dem Rucksack an die Lampen an der Decke. Also muss ich in gebückter Haltung den Weg lang gehen. Dann folgt eine steile Treppe drei Etagen runter in den Bauch des Schiffes. Schon stehe ich in der Menschenmenge, die von Bord will. Sergej ist auch da. Wir unterhalten uns noch ein wenig und suchen uns einen ungestörten Platz. Auch er hat einen schweren Rucksack dabei. Langsam setzt sich die Schlange in Bewegung. Am Ausgang des Schiffes werden unsere Pässe kontrolliert. Als ich an der Reihe bin werde ich als einziger Ausländer aussortiert und gebeten am Rande zu warten. Als alle anderen Passagiere von Bord sind fragt mich die Beamtin nach einer Hotelbuchung, die ich für Sachalin aber nicht habe. Ich wollte ja hier privat unterkommen. Ich sage einfach, dass ich im Hotel Mira gebucht habe. Sie will aber den Gutschein sehen. Gott-sei-Dank eilt mir aber Sergej zu Hilfe. Er übersetzt, dass ich das Hotel nur online gebucht habe und deswegen keinen Ausdruck habe. Als ich dann noch den Ticket-Gutschein für die Überfahrt nach Japan zeigen kann, scheint sich die Lage zu klären. Ich soll noch warten. Dann kommt die Beamtin und fragt nach Kopien von meinem Pass. Ich habe sogar eine dabei und kann sie ihr geben. Sie braucht damit nicht ihren alten klapprigen Kopierer aufzuwärmen. Wir warten noch ca. 20 Minuten und dann erhalte ich erleichtert meinen Pass zurück. Sergeij hat sich mittlerweile nach dem Bus in die Hauptstadt der Insel erkundigt. Es soll um 6:00 gehen. Jetzt ist es erst 4:45, also noch ziemlich viel Zeit. Wir gehen vor das Hafengebäude und auf dem Vorplatz stehen noch ein paar ziemlich angeheiterte Nachtschwärmer rum. Aber alles sieht friedlich aus.
Ich denke, dass ich so früh meinen Gastgeber nicht aus dem Bett schmeißen sollte und buche online über das iPad das Hotel Mira für eine Nacht. Nach Kritiken im Internet soll das italienisch geführte Hotel sehr gut und günstig sein. Mir wird etwas mulmig, als ich mitten in der Nacht meine Kreditkarte ziehen muss um die Nummern in die Buchungsmaske einzugeben. Aber alles geht schnell vonstatten und ich habe ja auch noch Sergej an meiner Seite.
Um kurz vor 6 kommt der Bus. Der Busfahrer muss Unmengen von Taschen und Gepäckstücken verstauen und schon geht die Fahrt los. Direkt am Ortsausgang windet sich die Straße in steilen Serpentinen bergan. Die Insel ist in diesem Teil sehr gebirgig. Die Straßen sind aber in einem ganz passablen Zustand und so kann der Fahrer ziemlich schnell fahren. Wir überholen mit dem großen Bus sogar ein paar PKW. Über der ganzen Insel liegt der Schleier des Seenebels. Man blickt nur in die weite Natur und nur sehr selten sieht man mal ein paar Häuser. Der Weg bis zur Hauptstadt Juschno-Sachalinsk beträgt ungefähr 90 Kilometer und so kommen wir gegen 7:30 am Vorplatz des Bahnhofs an. Dieser dient als Busbahnhof für die offiziellen und privaten Buslinien.
Sergej kennt sich in der Stadt gut aus. Als ich ein Taxi zum Hotel nehmen will, meint er, dass dies viel zu teuer sei. Wir laufen deswegen die breite Straße entlang bis zur passenden Bushaltestelle. Als der Bus 63 kommt, ist dieser bereits gut gefüllt. Ich denke noch, was machen all diese Menschen so früh am Sonntagmorgen hier im Bus. Unsere beiden Rucksäcke versperren den kompletten Gang des Busses, aber niemand beschwert sich beim nun mühsamen Ein- und Aussteigen. Nach wenigen Stationen erreichen wir unser Ziel. Das Hotel ist bald gut sichtbar, nur können wir die Eingangstüre nicht finden. Wir laufen um den ganzen umzäunten Komplex und finden den Eingang auf der Rückseite. Ich verabschiede mich sehr herzlich von Sergej und wir versprechen uns in Kontakt zu bleiben. Er hat es sich nicht nehmen lassen mich bis ins Hotel zu bringen.
Drinnen bin ich angenehm überrascht von dem modernen italienischen Ambiente. Die Empfangsdame ist freundlich, kann aber meine Reservierung nicht finden. Erst als ich ihr sage, dass ich die Buchung erst vor 2 Stunden gemacht habe, wird sie in ihrem Mailpostfach fündig.
Auch das Zimmer ist hervorragend. Das ist definitiv das beste Hotel, was ich auf der ganzen Reise hatte. Ich mache mich erst mal frisch und gehe dann sehr gut frühstücken. Im Speisesaal bin ich fast allein. Danach muss ich erst einmal ein paar Stunden Schlaf nachholen.
Mit dem gleichen Bus 63 fahre ich wieder in die Stadt zurück. Ich steige am Theater aus. Leider habe ich keine Zeit für eine Vorstellung hier. Außerdem haben jetzt fast alle Theater ihre Sommerpause. Mein Weg führt mich weiter die große Straße entlang und schon bald erreiche ich den in jeder Stadt vorhandenen Lenin-Platz. Er liegt direkt vor dem Bahnhof. Überall sonnen sich die Leute auf den Bänken der Parkanlagen. In einigen Brunnen findet man leider auch die Reste nächtlicher Alkoholexzesse. Juschno-Sachalinsk soll die Stadt sein, die die höchste Rate an Jugendkriminalität in ganz Russland hat.
Ich gehe weiter durch das Bahnhofsgebäude und studiere die Fahrpläne. Ich muss am Mittwoch nach Korsakov fahren, wo meine Fähre nach Japan abfahren wird. Der Ort liegt 40 km weit weg an der südlichen Küste von Sachalin. Aber vielleicht nehme ich doch einfach den Bus. Der fährt öfter und ist viel schneller.
Am Rande des Bahnhofes entdecke ich ein kleines Eisenbahnmuseum mit alten schmalspurigen Eisenbahnen aus der japanischen Zeit. Um die Insel haben sich Russland und Japan mehrfach gestritten bis sie 1945 endgültig an Russland viel. Ein Großteil der Infrastruktur im Südteil der Insel stammt allerdings von den Japanern.
Später lese ich im Internet mehr über die Geschichte von Sachalin. Unter anderem, dass hier in 1983 ein vollbesetzter Jumbo der Korean Airways von den Russen abgeschossen wurde, weil die das Passagierflugzeug mit einem amerikanischen Aufklärungsflugzeug verwechselt haben. Der Kapitän der Korean hatte damals den Autopilot falsch eingestellt und war so erhebliche Kilometer von seinem Kurs abgewichen und ohne Genehmigung in den russischen Luftraum eingeflogen.
Man hat rings um Sachalin die größten russischen Öl- und Erdgasvorkommen entdeckt und baut gerade riesige Pipelines vom Norden der Insel in den eisfreien Süden. Das Projekt hat gigantische Ausmaße und steht bei den Naturschützern natürlich heftig in der Kritik.
Ich gehe weiter die Leninstraße entlang und entdecke die Straße, in der sich das Reisebüro befindet, wo ich mein Ticket abholen soll. Obwohl die am Sonntag geschlossen haben, suche ich trotzdem den Laden und werde erst nach einem sehr langen Fußmarsch bis an das Ende der Straße fündig.
Nun reicht es mir und ich fahre wieder mit dem Bus zurück ins Hotel. Das Busfahren ist wie überall in Russland extrem günstig. Man braucht immer nur wenige Cent für eine Fahrt.
Ein gutes italienisches Abendessen habe ich mir nun wirklich verdient. Das Restaurant ist auch wirklich erstklassig und das Personal ist sehr gut geschult. Ich genieße die Zeit hier, obwohl ich ganz alleine in dem riesigen Saal bin. Erst ganz zum Schluss kommen noch ein paar Italiener, die aber als Gruppe viel zu palavern haben.
Müde gehe ich hoch auf mein Zimmer und schaue mal wieder einen Sonntagabend Tatort auf meinem iPad. Der Aufwand, die DVD-Sammlung mit Lena Odenthal vorab zu digitalisieren, hat doch gelohnt.
Test
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