postheadericon Luxus in Krasnojarsk

Schon 2 Stunden vor der Ankunft in Krasnojarsk wache ich auf. Durch das gekippte Fenster in der Toilette strömt die kalte Morgenluft. Es ist bestimmt 20 Grad kälter als die Tage vorher. Draußen sehe ich die Reste von Regenwolken am Himmel, aber es scheint ein schöner, sonniger Tag zu werden.

In Krasnojarsk wohne ich bei Alexandr und seiner Familie (Frau, 2 Kinder, 3 und 7 Jahre und seiner Mutter). In weiser Voraussicht hatte ich Elena gebeten Alexandr anzurufen und ihn zu fragen, ob er mich vom Bahnhof abholen würde. Er sagte etwas unbestimmt, vielleicht. Aber ich hatte ja seine Adresse und im schlimmsten Falle würde ich halt ein Taxi nehmen.

Der Zug fährt in den Bahnhof ein und ich versuche aus den am Bahnsteig wartenden Personen Alexandr zu identifizieren. Das ist sehr schwierig, weil ich ja kein Bild von ihm im Voraus habe. Ich steige aus, schaue mich auf dem Bahnsteig um und warte, dass mich jemand anspricht. Ich bin ja hier der Exot mit Rucksack und Alexandr wird mich viel eher erkennen. Plötzlich kommt ein junger Mann zu mir und hat ein Schild mit meinem Namen in der Hand. Erleichterung macht sich in mir breit. Er begrüßt mich herzlich und hilft mir beim Tragen des Gepäcks. Auch er hat so einen kleinen Nissan mit dem Steuer auf der rechten Seite. Auch er erklärt mir, je weiter ich nach Osten komme, umso größer wird der Anteil der Autos mit Rechtslenker, weil die Wagen direkt über Vladivostok aus Japan importiert werden.

Voller Stolz will Alexandr mir gleich die erste Sehenswürdigkeit von Krasnojarsk zeigen: die Paraskeva-Kapelle (1845 gebaut). Sie steht auf dem westlichen  Hügel am Rande von Krasnojarsk und ist als Wahrzeichen auf den 10 Rubel Schein gedruckt. Als die russische Regierung plante den 10 Rubel Schein  (nur 25 Cent) durch Münzen zu ersetzen und damit die Gefahr bestand, dass damit die Stadt und ganz Sibirien von den Rubel-Scheinen verschwindet, rief man 2007 einen Wettbewerb für ein Denkmal zu Ehren dieses Geldscheins ins Leben.

Wir fahren zu Alexandr. Auch er wohnt in einer der herrlichen Plattensiedlungen am Rande russischer Großstädte. Schon im Treppenhaus fällt mir auf, dass hier alles viel sauberer und ordentlicher ist. Ein klappriger kleiner Lift bringt uns in den 8. Stock. Die Wohnungen sind mit vielen Schlössern gesichert wie Gefängnistüren. Wir betreten eine sehr schöne geräumige Wohnung und Alexandr zeigt mir mein Gastzimmer. Es ist das große Kinderzimmer der Familie was in einer Ecke auch gleichzeitig sein Arbeitsplatz ist. Er ist freiberuflicher Programmierer und programmiert Webseiten für Firmen. Ich gehe gleich duschen und auch das Badezimmer ist vom Allerfeinsten, schöne Fliesen, ein großes Waschbecken und eine Badewanne.

Nachdem ich mich wieder riechen kann werde ich von Alexandr zum Frühstück in die große Küche eingeladen. Alles steht schon bereit. Wir essen eine Art geschroteten Weizen, Brot mit  Wurst und Käse, Marmelade und zum Abschluss Kuchen. Dazu gibt es Tee (Tschai). Das Teetrinken liebe ich mittlerweile richtig. Auch überall in den Zügen gibt es immer Tschai.

Ich ruhe mich erst einmal von der wieder sehr kurzen Nacht im Zug aus und stelle dann die im Zug geschriebenen Artikel ins Netz. Alexandr hat eine sehr schnelle Internetverbindung und alles flutscht nur so im Vergleich zu der doch wesentlich langsameren Mobilfunkverbindung, die ich sonst nutze. Außerdem kostet es nichts.

Alexandre erklärt mir nochmal wie ich in die Stadt komme und dann mache ich mich mit der Kamera bewaffnet auf den Weg. An der Bushaltestelle muss ich mich für eine Seite entscheiden und ich denke ich habe die Richtige gewählt. Ich frage zur Sicherheit nochmal zwei Frauen an der Bushaltestelle, ob der Bus auch Richtung Stadt fährt. Sie nicken schauen mich aber trotzdem ungläubig an. Nach kurzer Zeit kommt ein klappriger Minibus (Nr. 49) in den ich mit den anderen Fahrgästen zusammen steige. Die Schaffnerin kassiert von jedem Bargeld (11 Rubel) und wir fahren los. Schon an der nächsten Straßenkreuzung biegt der Bus in die für mich falsche Richtung ab und ich weiß jetzt, dass ich aus der Stadt rausfahre. Schon nach drei Haltestellen erreichen wir das Endziel der Linie und ich versuche mit der Schaffnerin zu klaren, wo ich richtiger weise aussteigen muss. Wir reden beide mit Händen und Füssen und ich versteh so viel, dass ich einfach sitzen bleiben soll, denn der Bus fährt ja wieder zurück in die Stadt. Sie muss jetzt erst einmal die Geldübergabe organisieren. Ich hatte mich das schon die ganze Zeit gefragt: wie organisieren die das, damit nicht bei so viel Bareinnahmen etwas in den Taschen der Schaffner verschwindet. An der Endhaltestelle wartet eine Angestellte der Verkehrsbetriebe in ihrem Auto. Sie kommt in den Bus und schaut auf die Seriennummer der Abreisstickets, die die Schaffner bei jedem Bezahlvorgang an die Reisenden als Quittung geben. Die Endnummer wird sogfältig in eine Liste eingetragen und gegengezeichnet. Da bis zur Abreise des Busses noch Zeit ist, flirten die beiden Frauen mit dem Busfahrer. Wir alle kommen ins Gespräch, weil sich die Aufseherin auch wundert, dass ich als einziger Fahrgast noch im Bus sitze. Was sich nun anschließt möchte ich mal als ein Kapitel Völkerverständigung bezeichnen. Sie schauen interessiert in meinen Reiseführer und als ich ihnen meine Route auf der Karte erkläre sind sie wirklich sehr erstaunt. Und wieder einmal erlebe ich wirklich sehr offene und interessierte Menschen. Ich frage mich, ob ich das gleiche als Ausländer an einer deutschen Bushaltestelle erlebt hätte.

Wir fahren zurück in die Stadt, kommen natürlich an der Wohnung wieder vorbei, nur auf der anderen Seite. Die Schaffnerin zeigt mir dann auch noch die richtige Ausstiegsstelle für den Beginn meiner Stadtbesichtigungstour.

Die Stadt ist wesentlich kleiner und “gemütlicher” als die anderen Städte, die ich vorher besichtigt hatte. Hier sieht man auch noch sehr schöne alte Holzhäuser, die aber teilweise in einem beklagenswerten Zustand sind. Durch die Mitte der Stadt führt wie in jeder russischen Stadt die Ulitsa Lenina (Leninstrasse) und gleich parallel dazu ist die Karl-Marx-Strasse.

Ich klappere alle die Sehenswürdigkeiten, die in meinem Reiseführer aufgeführt sind, ab und mache schöne Fotos. Krasnojarsk hat auch eine katholische Kirche, die ich in einer Nebenstrasse finde. Leider ist sie verschlossen. Als ich am anderen Morgen Alexandr die Bilder zeige, sagt er mir dies sei die Konzerthalle für Orgelkonzerte.

Die Lauferei ermüdet mich und ich beschließe wieder zurück zu fahren. Schon beim Laufen habe ich die Busse der Linie 49 gesehen und so brauche ich nicht erst lange die Haltestelle zu suchen. Ich stelle mich an die riesengroße Bushaltestelle. Hier werden die Fahrgäste mit Musik beschallt und unterhalten. Nirgends gibt es Fahrpläne oder Routenpläne. Wahrscheinlich werden die als Papierausgaben verkauft. Im Sekundentakt fahren große und kleine Bus heran. Die Stopps sind extrem kurz (nicht mal 10 Sekunden) und wer nicht gleich einsteigen kann muss halt auf den nächsten Bus warten. Auch mein klappriger Bus kommt bald und ich fahre zurück zur Wohnung, die in dem Häusermeer auch gleich wiederfinde. Zur Sicherheit hatte ich ein Foto des Eingangs mit dem Blackberry gemacht, was ich aber dann doch nicht gebraucht habe. An der Haustüre muss man einen Code eingeben und dann geht die Türe auf. Alles ganz einfach.

Oben sitzt Sascha (so nennt ihn seine Mutter) immer noch am Computer und arbeitet fleißig. Ich ruhe mich ein wenig aus und kümmere mich dann um meine Bilder, die ich in den vergangenen Tagen geschossen habe. Zur Sicherheit kopiere ich sie auf verschiedene Speichermedien um den Schatz ja nicht zu verlieren.

Alexandr sagt mir, dass er jetzt wegfahren wird und erst so gegen 22:00 Uhr wieder zurück kommen wird. Das ist kein Problem für mich. Ich will ein wenig relaxen und lesen. Alexandr fährt zu seinen Schwiegereltern, wo sich auch gerade seine Frau mit den Kindern befindet. Wahrscheinlich sind sie wegen mir ausquartiert worden, damit ich das Kinderzimmer haben kann.

Saschas Mutter kommt in mein Zimmer und fragt mich was. Natürlich verstehe ich erst mal gar nichts, aber irgendwann höre ich wieder das Wort Tschai. Ich sage einfach “da” was ja meint und folge ihr in die Küche. Sie hat schon ein herrliches Essen vorbereitet. Es gibt Spagetti mit Hühnchenfleisch, dazu Tomate und Gurken, die es hier überall gibt. Ein richtiger Genuss, alles ist sehr schmackhaft und frisch. Zufrieden und satt lasse ich den Abend ausklingen, telefoniere mit meiner Familie und gehe dann zeitig ins Bett.

3 Kommentare zu „Luxus in Krasnojarsk“

  • Karl Seidel:

    Hallo, lieber Michael,
    wir lesen mit großem Interesse Deine Berichte von Deiner tollen Reise. Es ist schon beeindruckend, wie Du Dich mit “Russisch” und Kyrillisch durch die manchmal unabwendbaren Schwierigkeiten einer für uns exotisch anmutenden Reise schlägst (wir bewundern Dich, aber Flieger haben ja ohnehin eine gewisse Routine in solchen Dingen!).
    Wir wünschen dir weiterhin eine gute und sichere Reise mit vielen beeindruckenden Erlebnissen, von denen wir ja hier auch in Wort und Bild profitieren.
    Im Chor singen wir weiter an der Messe – jetzt ohne Klavierbegleitung. Karten sind noch nicht im Verkauf, aber wir erledigen das.
    Alles Gute und passe auf Dich auf! Wir grüßen Dich herzlich – Irmgard und Karl

  • Anne:

    Daddy, es ist wirklich spannend, was du schreibst, Jens und ich lesen immer fleißig!
    DIr scheint es ganz gut zu gehen!?
    Genieße die Zeit und komm heil wieder.
    Küsschen

  • Ja es geht mir sehr gut, ich bemühe mich weiter spannende Berichte zu schreiben.

    Kussi
    DAD

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