postheadericon Krasnojarsk II

Ich lasse mir Zeit mit dem Aufstehen, weil ja schon wieder eine Stunde Zeitverschiebung hinzugekommen ist. Alexanders Mutter schaut vorsichtig in mein Zimmer und will wissen, ob ich frühstücken möchte. Gerne doch, sage ich auf Russisch. Schnell geduscht und in die Klamotten und dann erlebe ich in der Küche eine wirkliche Überraschung. Sie hat schon warmes Essen für mich gekocht, Hühnchen mit Kartoffeln. Dazu frische Tomaten und Gurken, die Alexandr gestern von seinen Schwiegereltern aus dem Garten mitgebracht hat. Dazu noch ein großes Glas frische Heidelbeeren, die der Schwiegervater im Wald gepflückt hat. Das Frühstück schmeckt mir sehr.

Nun erkunde ich noch weitere Teile der Stadt, die ich bisher noch nicht gesehen habe. Ich fahre diesmal mit dem Bus gleich in die richtige Richtung und steige mitten in der Stadt aus. Ich mache mich auf den Weg Richtung Enisej, dem großen Fluss, der auch durch einen riesigen Staudamm große Mengen Strom für die Region produziert. Ich finde eine wunderschöne Promenade entlang des Flusses und laufe diese Richtung Stadtausgang. Überall sitzen die Leute auf den Bänken und genießen die letzten Sonnenstrahlen. Ich denke der Sommer wird hier bald zu Ende sein und der Herbst ist nur sehr kurz. Dann werden die Menschen hier wieder einen langen, harten Winter haben. Ich mache Fotos und sehe bestimmt aus wie ein richtiger Tourist. Plötzlich spricht mich eine Frau an und fragt mich, wo ich herkomme. Ich sage aus Deutschland. Sie kramt die letzten Worte Englisch aus ihrem Gedächtnis hervor, nur um sich mit mir zu unterhalten. Sie will genau die Strecke wissen, die ich bisher zurückgelegt habe und die ich noch vor mir habe. Sie wünscht mir  viel Glück für die weitere Reise und verabschiedet sich, weil jetzt ihre Mittagspause vorüber ist. Die Menschen sind einfach so freundlich zu Fremden!

Ich gehe auch mal in die Geschäfte rein und schau mir das lokale Angebot an. Irgendwie ist vieles Krimskrams und würde so bei uns nie verkauft werden können. Vieles erscheint mir kitschig. Aber natürlich gibt es auch überall die Nobelboutiquen, wie man sie in allen europäischen Großstädten auch findet.

Ich fahre jetzt mit dem Bus ein Stück weiter Richtung einer Kirche, die ich am Morgen gesehen hatte. Auf einer Kreuzung nahe der Kirche war am Morgen ein kleiner Unfall passiert. Zwei Fahrzeuge hatten sich in der Kreuzung berührt, man konnte nicht mal richtig eine Beule erkennen. Nach drei Stunden saßen die beiden Fahrer in ihren Wagen mitten auf der Kreuzung, blockierten den ganzen Verkehr und warteten wahrscheinlich auf die Polizei. Obwohl der Verkehr chaotisch abläuft, passiert eigentlich recht wenig.

Ich fotografiere weiter die interessantesten Ansichten (man könnte andauernd auf den Auslöser drücken). Für die Reise im Zug will ich noch schnell ein paar Kleinigkeiten im Supermarkt besorgen. Auch hier sehe ich das riesige Angebot. Alles ist sehr sauber, überall findet man Markenartikel, die man sofort erkennt. Schnell habe ich die paar Sachen zusammen und gönne mir danach noch ein Magnum Eis auf der Bank vor der Kirche. Die Lebensmittel sind dabei sehr preiswert.

Ich fahre zurück zur Wohnung, weil ich noch meine Sachen zusammenpacken muss. Alexandr will mich zum Bahnhof fahren. Im Bus entdecke ich wieder den Busfahrer von gestern. Auch er erkennt mich auch und begrüßt mich herzlich. Beim Ausstieg winkt er mir noch extra hinterher.

Zuhause hat Alexanders Mutter schon das Mittagessen gekocht. Ich habe sogar die Auswahl zwischen Spaghetti oder Suppe. Sie hat schon das große Glas Heidelbeeren in Marmelade verwandelt. Ich packe schnell, denn es wird langsam Zeit für die Fahrt zum Bahnhof. Alexandr ist noch nicht zurück von einer Geschäftsbesprechung. Als er nach ein paar Minuten kommt, teilt er mir mit, dass er mich leider nicht fahren kann. Er hat noch wichtige Dinge zu erledigen. Aber er nimmt sich die Zeit, um mich zum Bus zu bringen, der mich direkt zum Hauptbahnhof fahren wird. Er trägt sogar meine Tasche und wartet solange, bis ich in den Bus eingestiegen bin.

Nach 30 Minuten erreiche ich den Waksal (Bahnhof) und sehe erst jetzt das wunderschöne Bahnhofsgebäude. Leider habe ich meine Kamera im Rucksack verstaut und kann kein Bild machen. Außerdem wird es schon Zeit sich zum Bahnsteig zu begeben. Auf der Anzeigetafel steht schon das Gleis des berühmten “Baikal-Express” (Zug Nr. 10), mit dem ich heute nach Irkutsk fahren werde.

Zum ersten Mal sehe ich den Zug, den ich nehmen werde, in den Bahnhof einfahren. Bisher standen alle Züge immer schon bereit. Nachdem der Zug stoppt und die Türen geöffnet werden, putzen die Provodnizas die Griffe an den Wagen mit feuchten Lappen sauber bevor die Passagiere aussteigen dürfen. Da mein Wagen in der Nähe der Bahnsteigtreppe hält, erreiche ich nach der obligatorischen Fahrscheinkontrolle vor dem Wagen heute mal ohne Schwitzen mein Abteil. Erst denke ich, dass ich schon wieder allein fahren werde, aber 20 Minuten nach der Abfahrt kommt doch noch ein junger Mann ins Abteil. Er verstaut aber nur kurz seine Sachen, zieht sich komplett um (bequeme Jogging-Klamotten) und verschwindet wieder ins Nachbarabteil zu seinen Verwandten. Später kommt er dann zurück und legt sich sofort schlafen.

Draußen ist die Landschaft sehr viel interessanter als bisher. Alles ist sehr hügelig und an den Hängen sieht man kleine Dörfer mit einfachen Holzhäusern. Die Strecke ist sehr kurvig und ich kann aus dem Fenster in einem sehr spitzen Winkel die Lok vorne sehen. Dann geht auch noch glutrot die Sonne unter. Ein herrlicher Anblick!

Nun ist es doch Zeit noch etwas essen zu gehen. Im Speisewagen treffe ich die französische Familie aus dem Nachbarabteil. Die Eltern wohnen in Chile, einer der Söhne in Zürich. Er arbeitet für eine Privatbank. Wir unterhalten und über die Reise und Gott-und-die-Welt. Wir tauschen auch unsere Email-Adressen aus und wollen uns bei nächster Gelegenheit in Frankfurt mal wieder treffen. Auch sie fahren alle an den Baikalsee und die Chance ist groß, dass wir uns dort wieder treffen.

Satt und zufrieden kehre ich zurück zum Abteil, bei der ein oder anderen Station steige ich nochmal kurz aus, um das geschäftige Treiben am Bahnsteig zu beobachten. Dann ist wirklich Zeit zum Schlafen gehen.

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